Kerstin Ehmke-Putsch «KEP»

Vielleicht darf sie ja gar nicht anders *g*, aber "können" kann sie wirklich nicht anders: sie MUSS die Dinge immer anders sehen, als man selbst an ihnen – achtlos – vorbei läuft. Kerstin Ehmke-Putsch, Solinger engagierte Licht-Bildnerin «malt» mit ihrer Kamera und dem elektronischen Retuschierpinsel Szenarien zwischen Abstraktion und dichter Nähe, zwischen Verfremdung und Vertrautsein. Und wie so oft bei Menschen, die sich durch Inspirationen leiten lassen, die jeweiligen persönlichen Stimmungslagen sind der Katalysator, der die Charakteristik der Kunstwerke profiliert.

 

Geht Ihnen das auch so: man kann an Gebäuden – egal, welchem – vorbei gehen, es nicht nur sprichwörtlich tausend Mal sehen, sieht man dann ein Foto davon – es sieht ganz anders aus, als man es selbst in Erinnerung hat. Ja, unser Gehirn ist nun einmal ein ganz anderer Fotoapparat als der inzwischen total digitale, aber immerhin noch "künstliche", der damit auch oft genug zum "künstlerischen" wird. Denn was ist Kunst anders als die Verfremdung der Realität in ein Szenarium mit suggestiver Aussagekraft. Genau das macht zwar unser Gehirn auch, aber eben anders. Vor allem: nur für das Kino in uns; was wir sehen, können wir keinem mitteilen, da es nur in uns selbst geschieht. Fotografie ist die phantastische Möglichkeit, individuelles Sehen mit anderen Menschen zu teilen. So eine Art "Mind-Sharing" also.

Spule

nennt KEP diese digitale Montage. Da spult sich dann in iher Phantasie etwas ab, was den normalen Betrachter vor gewaltige Herausforderungen stellt. Soll er nun akzeptieren, dass Begriffe wie links, rechts, oben, unten schwuppdiwupp sich in Nichts auflösen, Farbe durch Glanz, Reflektion und Graustimmungen ersetzbar ist und überhaupt, ein Motiv erst dann eins ist, wenn es seiner Realität enthoben wird ... ?

Da steht man nun sprachlos da.


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Und im übrigen gelingt es Kerstin Ehmke-Putsch so zu fotografieren, als sei der Solinger Bahnhofbereich nicht neu- und umgebaut, sondern wie eh und jeh, nur ein wenig fröhlicher beleuchtet. Ist ihr der jahrlange Schrottplatz, der für die skurilsten Fotomotive gut war, so in Knipsfinger und Digitalchip übergegangen, dass sie gar nicht mehr anders kann oder deckt sie vielleicht nur auf, was die Kommunalpolitik den Bürgern vehement auszureden versucht: dass nämlich die Sanierung zwar frische Farbe zwar für neue Bausubstanz sorgte, aber die Architektur als Ensemble noch weit davon entfernst ist, Stil zu haben.


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Stilvoll ist dagegen, was ihr da im Advent 2007 vor die Kamera kam. Was dem einen die Gartenzwerge, ist dem anderen der Lichtschlauch. Aber was solls, in einer Welt, die jeden desillusioniert, muss ein privates Märchenschloss und dürfen kindische Phantasien zulässig sein, denn schließlich zeigt uns doch Walt Disney in seinem Imperium, wie schön es sein kann, wenn man von Realität auf reine Fiktion umschaltet. Also bleiben wir beim Urteil stilvoll: Es ist der Stil der Zeit, sich zum im Ursprung deutschen Brauch des Lichterbaums so amerikanisch zu geben, dass selbst die Chinesen, die neuerdings Weihnachten feiern, Spaß daran hätten.
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Und bitte – wie zum Beweis findet KEP dann dieses Motiv bei ihrem Weihnachts-Spaziergang in einem Schaufenster. Mancher hat ein Brett vor dem Kopf, und andere eben den Stern. Dann doch lieber diesen, deutet der doch irgendwie auf Erleuchtung hin und kann schon wieder davon träumen lassen, dass demnächst Urlaub angesagt ist, selbst die Seesterne schwimmen heute schon im modischen Blau blinkend durch die Nacht der mentalen Finsternis.


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Die Kunst ist eben, die Dinge anders zu sehen, wie sie sind. Und was den Forschern in Gen-Manipulations-Laboren in aller Welt erlaubt ist, muss doch der heimischen Fotografin erst recht gestattet sein. Sich ihre Welt der Früchtchen zurechtzureimen, zumal die Kombination von Banane und Kiwi die prägnanten Worte Kiwane oder Baniwi impliziert; und etwas Erotisches, wenn auch farblich verfremdet, hat es ja schließlich auch.


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Im Rahmen der NRW-weiten Aktion "Ab in die Mitte", die zufällig mit der 2007er-Wiederbelebungs-Eröffnung des Neumarktes zusammenfiel, hatten die Kulturschaffenden Andy Dino Iussa und Erhard Ufermann, beide in Wuppertal wirkend (sic!, denn sie betreiben eine Kulturagentur in der Bandfabrik auf der Schwelmer Straße). Die Idee (und die Ausführung) sind das intelligenteste "Stück Kultur", wenn man so sagen darf, das Solingen seit langem erlebt hat. Aufrichtig gemeinten Glückwunsch zu dieser Sicht der Dinge, die durch Kerstin Ehmke-Putsch als "Bilder-Baustelle" aufs Köstliche optisch kommentiert wird.


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Fast schon gespentisch wirkt diese Szene des eher in Finsternis sich wegduckenden Platzes mit der metallisch-beleuchteten Fassade der Bilderfront. Wie zum Trotz leuchtet aus dem scheinbaren Nichts die Reklame des Turmhotels hervor. Beeilen Sie sich, dieses noch einmal zu besuchen, um den Ausblick zu genießen. Denn es steht vor dem Aus – wie das ganze Gebäude-Ensemble, welches möglicherweise bald der Vergangenheit angehört. Irgendwer will dort etwas Neues bauen, Karstadt gibt den Standort in dieser Form auf und hat den Gebäudekomplex an einen Investor verkauft.

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Auch diese Tür wird bald dicht sein. Die Filiale lohnt sich nicht mehr. Klingt wieder einmal, als hätten die Solinger nicht genügend gekauft und würden nun abgestraft. Auf die Tatsache, dass sie ein un-attraktives Warenangebot und ein Kaufhaus-Konzept zum Einschlafen haben, hat der Konzern allerdings leider bisher nicht hingewiesen. Vielleicht hat es ihm ja noch keiner gesagt. Ich jedenfalls bekomme in diesem Laden jedesmal Frust: man kommt sich vor (trotz aktuellem Sortiment) wie in einem 60er-Jahre-Museum, das noch nicht einmal attraktive Exponate hat.