Solingen von weitem betrachtet

Solingen (von heute) und Rom (das ewige) haben etwas gemeinsam: auf sieben Hügeln erbaut. Solingen (das alte) alleine liegt auf einer einzige Kuppe – die im übrigen namenlos geblieben ist. Der Scheitelpunkt liegt in etwa am Mühlenplatz (Clemensgalerie). Auf diesem Hügel gründete sich die Stadt (allen heutigen Wissens nach am Fronhof, direkt neben der ev. Stadtkirche). Sie war einst von Mauern umgeben, wie dies im und nach dem Mittelalter üblich war. Und "vor den Toren" lagen einige kleine Weiler, die längst zu einer großräumigen "Innenstadt" verschmolzen sind.

 


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 Wie sich die Bilder gleichen und doch unterscheiden können, einen anderen Eindruck vermitteln. Oben das bekannte und oft gesehene Panorama von 1650. Rechts eine Zeichnung aus 1630. Es ist, was später "30jähriger Krieg" heissen wird, der Kampf in deutschen Ländern, der in katholisch und reformiert / evangelisch trennt. Auch in Solingen gab es Kämpfe, Truppen zogen durch, teils plündernd. Symbolisch begegnen sich hier zwei Haufen. Ein ähnliches Bild wie oben, und dennoch ist das "Bergische" besser nachzuvollziehen (Fachwerkhäuser, eng-an-eng).


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1829 ist der Siedlungskern gleich geblieben, die Stadt dehnt sich allmählich (entlang der heutigen Schützenstraße, also Richtung Burg) aus (links unten, Vordergrund). Und, schwach zu erkennen, auf dem Bergrücken Richtung Höhscheid und von dort in die Rheinebene (heute Teilstück der Kölner Straße). Kennzeichnend auch die Gärten und Felder vor den Stadttoren – noch heute erinnert die "Felder Straße" an dieser Stelle daran. Trotz perspektivischer Schwächen lässt sich erahnen, wo einst links unten ein "Entenpfuhl" (Teich) gewesen sein könnte, der diesem Fleck den Namen gab.


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1840 Blick von der anderen Seite, dem heutigen Scheidt auf die Stadt. Heute völlig mit Häusern zugebaut, kann man die Bedeutung des Höhenrückens mit seinem "Panoramablick" von Nordost nach Südwest nicht mehr erahnen, auf diesem Bild dagegen um so besser erkennen. Die Häuser sind stilisiert, sehen aus wie uniforme Renaissance-Häuser, dürften dies jedoch nur im Einzelfall gewesen sein, der Rest war Fachwerk, vielleicht auch schon die ersten mit Schiefer verkleidet. Die Perspektive ist mehrdimensional verzerrt, dennoch in der Phantasie noch gut nachzuvollziehen.


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1858 wagt ein Zeichner, seine konkrete Erfahrungswelt zu verlassen und die Stadt aus einem Winkel dazustellen, die bis dato nur den Vögeln zugänglich war – und ersten Heißballonfahrern. Auch dieser visuelle Chronist frönt dem Spätbiedermeier-Ethos, alles zu simplifizieren und stellt die Häuser uniform dar und in einer völlig unrealistischen Bauweise. Solch eine fast schon meditteran anmutende Stadt war Solingen nie; stat dessen hat sich der Charakter des Verwinkelten und vor allem die Fachwerk-Bauweise bis zur Zerbombung im 2. Weltkrieg (Nov. 1944) erhalten.


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 1885 hat sich das Stadtbild dramatisch ergänzt: Schlote zeugen vom Einzug der Industrialisierung auchin Solingen, Fabriken entstehen, die Stadt braucht mehr Platz. Auch wenn die Skizze noch zwischen ländlich-romantisch und symbolhaft-dokumentarisch schwankt, man erkennt das Werden einer Industriestadt, die nur wenige Jahrzehnte später stolz auf eine ganze Armada qualmender Schlote war.


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Noch nicht auf dem Höhepunkt der räumlichen Ausdehnung, aber als der Kern der heutigen Problematik ist Solingen 1900 das, was man heute so gerne "Gemengelage" nennt. Wohnen und Industrie sind eng ineinander verwoben. Die Fabrik steht zwischen den Wohnhäusern, die Wohnungen reichen bis an die Fabrikanlagen. Dieses Bild entbehrt nicht einer pittoreken Pointe: Im Mittelpunkt des Vordergrundes steht die für Solingen so einzigartige und damit charakteristische Liëwerfrau


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