Heimat- und Traditionsvereine in Solingen:



Schwaneköpper

Mindestens der Untergang der abendländischen Kultur wird in Leserbriefen beschworen, wenn wieder einmal über eines der zahlreichen Tradionsfeste in Solingen berichtet wird: das Hahneköppen oder das Schwaneköppen. Dabei wird einem toten Federvieh, das kopfüber in einem unten mit einem Loch versehenen Kopf steckt, mittels wuchtig quer in der Luft geschlagenen Schwert der Kopf abgeschlagen – theoretisch jedenfalls. Denn erstens werden dem Köpper die Augen verbunden, zweitens bekommt er einen Schnaps, drittens wird er im Kreis gedreht – und dann soll er zum Königsschlag treffen (wer den Kopf abschlägt ist, Hahne- oder Schwanenköpper-König für die laufende Saison). Das Volk kreischt und johlt, weil die Herren (Damen dürfen Kuchen backen, Kaffee kochen und als Königin ein Krönchen tragen) wie die Dappen durch die Gegend hauen und allenfalls mal den Korb treffen. Außerdem ist das Schwert so stumpf, "dat et wie'n duder Hongk bitt". Da in der Regel jeder mehrere Versuche durchmachen muss (= 1 Schnaps) und wenn der König ermittelt ist, der restliche Schnaps vernichtet werden muss, sind die Herren der Schöpfung meistens abends mindest so tot wie der Vogel, um den es ging. Dass in ganz Solingen Hähne und nur in Gräfrath Schwäne geköpft werden, erklären die Nicht-Gräfrather stets damit, dass sich die da oben am Solinger Gipfel ja wohl für etwas besseres halten ....

Ja,, und die Leserbrief-Protestler, die gleich die Tierschutz-UNO anrufen wollen und die Akte für barbarisch halten, willen ganz einfach nichts um Lebensweisen früherer Jahrhunderte und die Einstellung der Menschen zu Tieren. Bitte nicht vergessen: Noch vor hundert Jahren wurden in Solingen wie in vielen Städten und Ländern Singvögel (vor allem Drosseln) gefangen und mit Genuss verspeist. Außerdem: Es ist schon lange kein Schwan mehr, der für diese Traditions-Rituale sein Leben lassen muss !!!

Dagegen ist der eigentliche Anlass, das Fest noch heute höchst real. Es ist (wie passend) ja das uralte Henne-Ei-Problem: Ergibt sich das Fest aus dem Anlass oder erfindet man einen Anlass, um zu feiern? Das ist heute – mehr denn je, auch in höchst modernen Varianten und rings um die Welt zunehmend intensiver – nicht anders als ganz früher und vor etlicher Zeit.

Für alle Nichtsetzer und Alt- wie Neu-Gräfrather eine Erinnerung oder Entdeckung des längst Verschwundenen.

Zur Finanzierung von Festen war es immer schon üblich, Drucksachen herzustellen, die nichts anderes waren als von den Setzern/Druckern despektierlich so genannten "Anzeigen-Friedhöfe". Ein Festprogramm aus dem Jahre 1973 (dem 25jährigen Jubiläum) der Gräfrather Schwaneköpper hat uns auf wunderbare Art und Weise ein Spektrum Solinger Unternehmen bewahrt. Viele davon existieren nicht mehr, einige sind noch heute in Saft und Kraft. Aus rein drucktechnischer Sicht ein Nostalgie-Leckerbissen: alles Hansatz, und alles so in diesem Stil, wie es die Setzer aus Leidenschaft mochten. Weit überwiegend ohne Vorlage von Grafikern, nur wenige Klischees, dafür konnten sie aber alle Schriften verwenden, die die Setzerei hergab (was weniger war als man heute auf jedem PC kostenlos mitgeliefert bekommt). Eine herrliche Arbeit für ein paar Tage, mit der man so richtig ausruhen konnte und die dennoch irgendwie Spaß machte, weil einem keiner dreinredete.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   

 

Wer bis hierhin gelesen hat, dem sei aber Aufklärung zuteil. Einem Namensvetter "Schorsch", aber aus London (oho, resp. Soho!) verdenken wir diesen nützlich-aufklärenden Text (zu finden in den digitalen Leserbriefen vom 16.9.2005 des ST):

« Hallo, ja das Hahnekoeppen ist schon was bedauerliches vor allem wenn man an den Ursprung denkt. Als Solingen im fruehen 19. Jahrhundert von den Franzosen besetz war, wurde die Zensur erweitert. Jegliche negative Meinung oder Aussage ueber Franzosen und Frankreich wurde mit Zuchthaus bestraft. Volksfeste waren erlaubt. Da die Solinger ein pfiffiges und lustiges Voelkchen sind und Ihren Unmut ueber die Besetzung ausdruecken wollten, wurde das Hahnekoeppen eingefuehrt. Da das nationale Tier der Franzosen der Hahn ist, wurde somit die Abneigung der Solinger gegenueber den Franzosen und was man mit Ihnen machen moechte ausgedrueckt. Ob Hahnekoeppen deshalb heute noch gerechtfertigt ist, ist deshalb sehr fraglich. Meiner Ansicht nach kann man diese Tradition beenden, Feste sollten dennoch erhalten bleiben aber bitte mit anderen Vorzeichen. Viele Gruesse, Schorsch »
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