Immer schon. Nie wieder. Bald genau so.

Vieles schon mal dagewesen. Manches sollte nie wieder kommen. Einiges ist immer so. – Die Frage ist ewig, und vielleicht auch ewig ebenso beantwortet wie unbeantwortet: Wiederholt sich Geschichte? Vielleicht einer der besten Erkenntnis-Sätze, Aphorismen, von keinem geringeren als Großmeister Johann Wolfgang von Goethe: «Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken» (Maximen und Reflexionen). Alleine, wenn Heutige sich der Bescheidenheit üben und diesen Satz als wahr und damit programmatisch auch für die eigene Geschätzigkeit gelten lassen würden – es mehr extrrem mehr Gelassenheit, Fröhlichkeit und Zuversicht im Volk. Der Griff in die Geschichte muss nicht immer gleich in der Antike enden. Ein einzelnes Zeitungsexemplar, rund 75 Jahre alt, tut es auch. Zumal es eine Zeit beleuchtet, über deren geistiger Enge man heute nur noch gruseln kann. Doch die Gefahr, es kehre nie wieder, ist nicht gebannt – denn auch die Wiederholung des Schlechten und Falschen ist in Goethes wahrem Satz vorhergesagt.

 

 Noch zwei Tage bis Weihnachten. Die Samstag-Ausgabe vom 22. Dezember 1934 des damals bereits "gleichgeschalteten" STs. Was nichts anderes hieß, als dass dem Verleger (und Drucker) Bernhard Boll (dem Großvater des heutigen Verlegers) nationalsozialistisch schreibende Redakteure aufgezwungen wurden. Und damit der Konflikt so groß wie heute allgegenwärtig ist: Diene ich (als Redakteur, Verleger, Meinungsmacher) einem Ideal oder dem Kommerz. Denn wer damals politisch nicht gehorchte, war "weg vom Fenster". Und wer heute nicht der Wirtschaft schön redet, bekommt summa sumarum à la longue keine Anzeigen. So simpel ist das. Und der Dank des Vaterlandes nützt einem da nichs mehr.


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 Laien stellen sich unter Redaktionen immer ganze Mannschaftsstäbe vor, so wie sie große Zeitschriften wie der Spiegel oder Stern vorhalten. Doch Lokaljournalismus war immer schon das, was man heute im Internet "Bloggen" nennt: man "postet" mit ganz wenigen Menschen eine Vielfalt, die Meinungsvielfalt vortäuscht. Nur brauchte man früher – im Gegensatz – zu heute, eine amtliche Genehmigung, um zu publizieren. Die "Väter des Grundgesetzes" haben unter anderem dieses lange eingeschränkte Recht fundamantal verankert.
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Ein für Insider gar köstliches Bonmot ist diese Hinweis in eigener Sache: Bis praktisch 3 Stunden vor Druckbeginn konnten noch Anzeigen aufgegeben werden – selbst heutige computerüberfrachtete Produktionsstrecken bekommen dies nicht hin – obwohl, das ist der Witz bei der Sache, es leicht zu bewerkstelligen wäre, würde man modernste Technik einsetzen. Zu beachten ist aber für alle Brückentage-Sammler, wie unweihnachtlich noch damals die Arbeitszeit war. Bis drei Stunden vor Bescherung!


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Morgen = Sonntag!

Erst vor kurzem wurde die Freigabe der Ladenöffnungszeiten über die 18.30 Uhr hinaus als Revolution der Moderne gefeiert. Und dabei ist diese Regelung ein "alter Hut". Denn schon in den 30er Jahren gab es, wie bewiesen werden kann, den Sonntagsverkauf (heute als Sünde angesehen, auch und vor allem von der Kirche). Dabei sind die Zeiten ähnlich: damals wie heute waren Arbeitszeiten oft so lang, verschoben, Anfahrten/Wege weit, häusliche, familiäre, sonstige Aufgaben so vielfältig, dass man froh ist, nicht auch noch für das Einkaufen in ein völlig unsinnig enges Korsett gedrängt zu sein. Der Sonntag vor Weihnachten: nachmittags am "Goldenen Sonntag" die Geschäfte geöffnet. Und die Aufforderung zu Konsumrausch: selbst bei den Nazis selbstverständlich !


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Samstags-Öffnungen bis 20 Uhr sind "uralt" – Heiligabend-Öffnungszeiten bis 18 Uhr normal. Heute völlig vergessen ist, dass früher die frischen Backwaren sofort ausgetragen, ins Haus gebracht wurden (auch ohne Internet-Bestellungen, übrigens). Und wer eben ein paar Tage weniger zur Arbeit fahren musste, der konnte sich auch verbilligte Fahrkarten dafür kaufen.


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Wer die Probleme von heute für neu hält, weiß nur nicht, dass sie es nicht sind. Fast ohne Änderung könnte dieser Artikel auch heute wieder erscheinen, 75 Jahre später. Und selbst die Straßennamen müssten gar nicht mal so sehr ausgetauscht werden (abgesehen, dass einige inzwischen umbenannt wurden). Straßen waren in Solingen selten so, dass sie dem Verkehr genügten. Vorausschauende Planung ist in dieser Stadt eine relative Seltenheit (eher nicht die Planung, aber eine genügende Lösung). Aber das liegt in der Solinger Philosophie begründet. Das man nie weiß, was kommt – behaupten jedenfalls die hier Eingeborenen.


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 Blicken Sie bei den Handy-Tarifen nicht mehr durch? Wahrscheinlich haben Sie dann mit den Altvorderen gemein, dass auch sie mit komischen und lebensfremden Tarifen traktiert wurden. Fein, dass die Post wenigstens die Strafgebühr für Fernsprechteilnehmer abschafft, wenn das Fräulein vom Amt eine falsche Verbindungen schaltet. Und so etwas wie (heute) Mondscheintarife gab es auch damals schon, sinngemäß.


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 Rechtschreibung von der komischen Art: Mit oder ohne Reform sollte es eigentlich "Dreimarkstücke" oder wenigstens "Dreimark-Stücke" heißen. Denn es geht ja wirklich nicht um 3 Markstücke. Aber dass Geld manchmal ungültig wird, ja, wer hätte es noch nicht erlebt ...


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 Esoterik ist augenblicklich "in" – die Menschen sind auf Sinnsuche. Manchen historisch orientierten Polit-Interessierten sträuben sich bei solchen Entwicklungen die Nackenhaare, denn sie wissen, wie sehr – und wie oft – "das Volk" schon mit Ideologien besudelt wurde, wenn es schier verzweifeln wollte. Die Nazis, eigentlich das Gegenteil von Christen (oder anderer religiösen Ethik) wussten das Weihnachtsfest geschickt als gefühlsduselnde Germansierungs-Kampagne auszunutzen und über die Methapher der Sehnsucht nach dem Licht kannten sie einen, der als Lichtgestalt den hellen Schein des angeblichen weltbeherrschenden Deutschtums verkörperte, einen gewissen "Adolf", wie er nach dem Kriege – als wolle man sich seines Namens nicht mehr erinnern – pauschal von allen Dabeigewesenen verkürzt genannt wurde. Solche schwülstigen Texte wie diese, sie waren nicht selten, machen heute noch gruseln.


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 Später werden sie alle mal sagen, sie wären nicht dabei gewesen und hätten von nichts gewusst. Aber als eben Adolf Hitler auf eine Stufe (des Lichts) mit Jesus gestellt wurde, da jubelten auch in Höhscheid die Frauen und sangen süßerklingende Glocken-Weihnachtslieder, und bei stiller, heiliger Nacht durfte ruhig auch einmal ein freudiges "Heil" gerufen werden. Wenn heute vor dem Widererwachen des Nationalsozialismus gewarnt wird, so sollte man nie vergessen, dass eine verborte Ideologie nicht Probleme löst (von wegen weniger Arbeitslose oder so etwas!), sondern für jeden einzelnen enorme, unlösbare Problem schafft. Das Problem, seiner Eigenständigkeit und Individualität vollständig enthoben zu werden. Es ist erschreckend wenn man liest, wie eng auch in Solingen frommes Weihnachten mit brutal-brauner Ideologie verwoben wurde.


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 Da ist es geradezu eine befreiende Pause, wenn man mal wieder die "normalen Sensationen" lesen kann. Und sich erinnert, dass man daran überhaupt keine Erinnerung hat. Zum Beispiel an eine Seilschwebebahn, die in Leichlingen über 5 km Kohlen per Luftgondel herankarrte. Und dass der Bergische Landregen dafür sorgte, dass Talsperren ordentlich gefüllt wurden.


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Ganz klar: ohne die Solinger wäre die Welt an vielen Helden(taten) ärmer geblieben. Nett zu wissen, dass ein Solinger in Südamerika den Flugverkehr so richtig auf Trab brachte und nach Kriegs- und Postflieger-Tagen in der Ferne mehr als eine Million Kilometer über Urwälder flog ...


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A pro pos Ferne: in diese zog man seinerzeit vor allem rein mental, in den Stunden der Illusion im Kino (von denen es seinerzeit in Solingen noch zwei Dutzend gab). Und die Soap-Operas von damals hießen "Schwarzwaldmädel" oder "Inge und die Millionen". Was heute die Hollywood-Neurotiker, waren damals die Bühnen- und Leinwandhelden "made in Babelsberg".


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 Sie also meinen, ich solle nicht immer alles auf die Goldwaage legen? Nun ja, dann hätte ich ja kein Weihnachtsgeschenk für micht, wo es doch in Solingen so waage-mutige Fachgeschäfte gab. Heute sind ja Fachgeschäfte drum bemüht, Discounter zu verteufeln, weil sie sich krampfhaft bemühen, das Märchen aufrecht zu erhalten, Discounter-Ware wäre billiger, weil sie schlecht(er) sei als Fachgeschäfts-Artikel. Dass umgekehrt so manches Fachgeschäft es (vor allem heute) verpasst hat, Zeittrends zu erkennen – nein, vor solcher Kritik bewahre sie ihre Innungslobby und der gutgläubige Otto Normalnichtswisser. Denn wer alte Zeitungen liest, wird ellenlang und über Jahrzehnte immer und immer wieder vor allem ein einziges Argument finden: billigste Preise – dafür waren früher Fachgeschäfte berühmt !

 
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Und hier das vernünftigste, stimmigste, ermpfehlenswerteste Argument, das ich jemals in einer alten Anzeige gefunden habe. Ich freue mich jetzt schon auf meine nächste Grippe, ehrlich. Und sage allen Lesern «PROST». Ich hoffe dohc sehr, dats Ihnnen dise Tegckste gut gfallen un sie migch aug wennen ich meinnn ergeltng bägembve miii no-inen rummummm gögögönn


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Ach ja, die (wir) Setzer, ein verspieltes Völkchen waren die (wir) schon immer. Als das Wort "Icon" oder "Logotype" noch gar nicht erfunden war, hatten die (wir) es schon "drauf": mit phantasievollen Stilisierungen aus dem Setzkasten oder dem Linotype-Magazin wurden Artikelanfänge gekennzeichnet, gewissermaßen rubriziert. Dies in Anlehnung und Fortführung der Korrespondenten- oder Autorenkennungen am Anfang eines Artikel (die auch heute noch in allen Zeitungen gebräuchlichen Abkürzungen). Stamm (heute) ein Artikel aus einer Agentur, wird dies auch deutliche gekennzeichnet. So können die Leser, wissen sie dies, Eigen- von Fremd-Artikel gut auseinander halten.