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Walbusch-Werbung 1957 |
Dies ist ein beredtes Beispiel für eine glückliche Zeit: als die Setzer noch Bleisatz machen durften, als Versandhandel noch als etwas Exotisches galt, als guter Geschmack durch berauschenden Konsum auf extrem bescheidenen Niveau ersetzt wurde, als Ratenzahlen noch diskret abgewickelt wurde, als eine Schweizer Uhr noch als der Inbegriff des Wertbeständigen galt – kurzum, wir sind in einer Welt, die heute zu 100 % Nostalgie ist.
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Homepage von Walbusch:
Mehr in Solingen-Internet über Walbusch:
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Walbusch Spezialversand – wann immer man einen Fachmann aus der Versandhandelsbranche fragt, über Walbusch hört man nur Lob. Es hat sich nicht zu den Großen entwickelt (die bekanntlich heute alle ihre mehr oder weniger mächtigen Probleme haben), sondern ist einer – seiner – Linie treu geblieben. Mit dem Erfolg, zu den renommiertesten der Branche zu gehören und mit Sicherheit auch in der gesamten Industrie- und Handelsgeschichte Solingens zu einem Haus, dem man vergleichsweise in der Hotellerie etliche Sterne verleihen würde.
Dabei hat die Firmengeschichte nicht unähnlich angefangen wie einst die der Versandhandelsgiganten Otto, Neckermann, Quelle (Schickedanz): ein einzelner Unternehmer schafft es, eine Marke so am Markt zu etablieren, dass tausende, hunderttausende von Kunden allein über den Katalog und damit über ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis permanent Vertrauen dazu haben (und kaufen).
Im Textilbereich, in dem Walbusch heute tätig ist, gibt es eigentlich nur ein einziges anderes Versandhaus, dass eine ähnliche "Karriere" aufzuweisen hat. Rentabilität eingerechnet.
Um so interessanter sich vor Augen zu führen, wie einst Walbusch um Vertrauen und Kunden warb. Mit Werbetexten, die schlichtweg (mit Bezug auf die damalige Zeit, objektiv betrachtet aber zeitlos) genial gut sind.
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Dieser Herr ist nicht, wie heute üblich, ein Model. Es ist Herr Walter Busch, also der "Herr Walbusch" persönlich. Nun würde der Solinger einsichtig sagen "na klar, ein Statist hätte ja auch Geld gekostet" und fröhlich-wissend grinsen. Nix da, in der Zeit, als dieser (heute würde man sagen) Flyer entstand, nämlich 1957, war die persönliche Identifikation ("Ich gebe Ihnen mein Wort") Gold, sprich Umsatz wert. Eine Methode übrigens (Unternehmer-Testemonials), die bis heute erfolgreich ist.
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Eigentlich unterscheiden sich damalige Warenpräsentationen nicht von heutigen – und logischerweise umgekehrt. Also: Ist die Zeit wirklich weiter gegangen. Man könnte fast meinen, nein, Kataloggeschäft heute ist wie Kataloggeschäft gestern. Logisch, es sind andere Produkte. Aber die Art der Präsentation ist völlig identisch, selbst wenn heute statt reiner Grafik wie früher die Vierfarbigkeit und das Szenenfoto reichlich eingesetzt werden. Doch die Verführung, die von der Optik ausgehen soll, ist absolut identisch. Und noch eins: jeder Katalog braucht überraschende Produkte, die verblüffen – die man eigentlich nicht braucht, die aber faszinieren. Wie hier ein Kleinstkocher für die Steckdose. Genial, oder?
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Wer in dieser Zeit gelebt hat, wird sich erinnern, so etwas war erstrebenswerter Luxus. Bohn, ey Mann, ein eigener Rasierapparat, und elektrisch, und im Etui! Da konnten Männern und Jungmännern 1957 schon einmal die Tränen kommen, wenn sie so etwas unterm Weihnachtsbaum fanden. Und erst – unerhört, frivol, die große Welt! – Rasierwasser. Logisch, dass da die Frauen nur so hinschmolzen vor Wonne, einem solchen Gentleman zu begegnen .... Ach, war es noc einfach, ein Held zu sein.
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Kataloge waren seinerzeit noch nicht die "dicken Wälzer", sondern bescheidene Handbücher; dieser hier ist etwa 15 x 20 cm groß und umfasst 56 Seiten plus Umschlag.
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Original-Walbusch-Werbeunterlagen (Flyer, Katalog, Postkarte) aus dem Jahr 1957
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Mit einem in der Tonalität exakt die damalige Tonlage treffenden Einleitungstext und mit klaren, sowohl die Ratio wie auch das Gefühl ansprechenden Fakten und Argumenten beschreibt Walter Busch, Vater des heutigen Firmenchefs Thomas Busch, die Vorteile des Versandhauses. Schon damals (wie heute in der Werbung üblich) suggestive Worte, die dennoch niemals dem Grundsatz untreu werden, dass jede Entscheidung immer beim Kunden liegt.
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Oh Wunder der Technik! Oh Spitze des Fortschritts! Oh Mirakel der Moderne! Was heute bei eBay als "antik" und "uralt" angeboten wird, ist mal gerade fünfzig Jahre alt und war seinerzeit etwas, wofür es sich zu sparen lohnte (ja, sparen, weil 44 Mark für eine schlauchbetriebene Kartoffelschälmaschine immerhin einen ganzen Wochenverdienst verschlang – ein Viertel Monatsgehalt!). An solch einen Nussknacker mit Bambusgriffen kann ich mich noch erinnern; ich glaube, wir dachten damals, mit seinem Besitz gehören wir nun zu den besseren Familien ....
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Aber Walbusch wäre ja kein Solinger Versandhaus, wenn nicht auch die typischen Solinger Produkte im Angebot gewesen wären.
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Doch immer wieder der Lebensstil der 50er. Wir empfanden es seirzeit wirklich als Inbegriff modernen Lebens, Lebenskultur, Luxus, Fortschritt, Wohlstand, solch eigentlich völlig unnützen Gegenstände zu besitzen. Immer mit dem Willen, sie auch wirklich zu gebrauchen. Aber über den Status als Staubfänger kamen sie elten hinaus, die Schälchen, Blumentopf-Grabe- und Schaufel-Werkzeuge, Schreibtisch-Assecoirs ...
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Für meine Mutter, heute 85, eine Erinnerung: in diesem Gebäude hat sie jahrelang gearbeitet und dabei (allerdings nicht in dieser Zeit, sondern später, als Walbusch längst auf Textil umgeschwenkt war) so manchen Menschen aus Politik und Showbiz per Post kennengelernt. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass bei diesem (heutigem) Männermode-Edelversandhaus die Prominenz bestellt(e). Der heutige Claim, "bequeme Mode", sagt warum.
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An welchem Tage wurde ich "erwachsen"? Ich weiss es genau, an meiner Konfirmation. Denn da bekam ich auch so ein Monstrum geschenkt, eine so genannte Reisegarnitur, mit Rasierer, Rasierwasserflaschen (zum selbst einfüllen), allerlei Nagelbearbeitungsgeräten, Kleiderbürsten und Schuhlöffel. Und wer so ausgestattet war, musste sich erstens rasieren (sprich, war ein Mann) und konnte unbesorgt in die große, weite Welt hinausfahren, war also erst recht ein richtiger Mann. Denn es konnte einem nichts passieren. Man hatte ja seine Reisegarnitur dabei ...
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Der "Herr Walbusch" also Walter Busch war ein qualitätsbewusster Unternehmer "alter Schule". Und so war es kein Wunder, dass er nicht nur selbst die Produkte vorführte (oder sich dafür im Katalog abbilden ließ), sondern natürlich persönlich einkaufte. Bei anderen Unternehmern aus gleichem Schrot und Korn, die sich lieber die Hand abhacken ließen, als an der Qualität (damals nannte man das noch "Güte") zu sparen. Und so ist es kein Wunder, wenn Walbsuch seinerzeit für Uhren eine schweizer Uhrenfabrik aussucht, die knorzig und selbstbewusst zugleich war – was diese aber leider nicht überleben ließ, im Gegensatz zu Walbsuch.
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Wissen Sie übrigens, warum alle Uhren auf Fotos immer "zehn vor zwei" oder "zehn nach zehn" zeigen (immer !!!) ??
Die Branche nennt es die lächelnden Uhrzeiger – nichts anderes als ein Smiley!
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Der, dem Walter Busch hier zeigt, wo es lang zu gehen hat, ist Josef Gunzinger aus Welschenrohr im schweizer Jura (also Welschland, wie der Schweizer sagt). "Er machte eine Lehre im väterlichen Uhrenatelier in Welschenrohr und wandelte das Familienunternehmen 1920 in die Gebrüder Gunzinger AG um. Ab 1924 Produktion der Uhrenmarke Technos sowie kontinuierlicher Ausbau der Fabrikgebäude und Errichtung mehrerer Filialbetriebe. Der Höchststand der Belegschaft war um 1970 mit 450 Beschäftigten erreicht. Die Firma exportierte weltweit, u.a. nach Brasilien und Japan. 1971 Verkauf der Firma Technos an die General Watch Comp. und 1980 Betriebsschliessung. 1924 war G. Mitbegründer des Verbands deutschschweiz. Uhrenfabrikanten (VDU), 1917-31 FDP-Gemeinderat in Welschenrohr, 1921-25 Solothurner Kantonsrat. Der patriarchalisch und sozial eingestellte "Dorfkönig" G. war ein über Welschenrohr hinaus bedeutsames Beispiel eines begabten Unternehmers und freisinnigen Politikers der blühenden Uhrenindustrie des 20. Jh." – so beschreibt ein Schweizer Lexikon den Geschäftspartner von Walter Busch.
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Kinder, wie die Zeit vergeht – das Geflügelte Wort der damaligen Ära lässt einen – hoffentlich – nachdenklich werden. Wenn schon 1957 Walter Busch sinniert "In dieser schnellebigen, modewandlerischen Zeit ...", was würde er dann erst heute sagen wollen? (Text unter obigem Bild.) Und "Kennzeichen echter Kultur" – heisst es, heute haben wir eine unechte Kultur. Ich fürchte, viele (alle) sagen jetzt "Ja".
Die Rückseite des Kataloges ist noch einmal ein Schmankerl der besonderen Art: Man schaue sich diese Taschen und Koffer an, der elegante Charme der frühen Jahre – und doch irgendwie klassisch. Und dann überhaupt die Tatsache, dass man mit einer eigenen Wolldecke auf Reise geht! Im Zug, weil es ja zieht, sie übers schmerzgeplagte Knie legt. Oder im Auto schön weich-warm in den Rücken. Bequem auch, wenn man im Wald mal schnell ..., pfui !
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Da hüpft das Setzerherz vor Freude. Solche Postkarten zu setzen war ein grandioses Vergnügen: Kein Grafiker schrieb irgendetwas vor, man konnte beweisen, dass man technisch gut setzen kann, die Aufgabe war überschaubar einfach, die Arbeit ging schnell, und alle waren immer am Schluss zufrieden. Das "In-Farbe-stellen" der (hier blauen) Elemente war eine nette Herausforderung an Rechenkunst und Fingerfertigkeit – und gut bezahlt wurde so etwas auch noch. Ach, war das schön ...
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