Stadtfest 2008 (1)

Sage keiner, in Solingen hätte keiner gute Ideen. Die eines Stadtfestes "Echt.Scharf.Solingen" ist eine davon. Eine Mischung aus Stadtkirmes, Jahrmarkt, Weinfest, – halt ein Dorffest, wie es der Solinger mag. Überschaubar. Nicht zu teuer. Ein wenig Musik (Hauptsache gemischt), und die Gelegenheit, endlich mal die Leute wiederzutreffen, die man sonst auch während der Woche und bei Festivitäten trifft. Dann hat man das Gefühl, unter sich zu sein und je mehr Clübchen und Grüppchen und Püppchen unter sich sind und ihr Süppchen kochen, desto steiler steigt der Pegel. Des Alkohols und der guten Laune.

Also beschloss ich, auch das Stadtfest zu besuchen. Normalerweise sagt man ja, man könne den Leuten immer nur vor den Kopf gucken. Will sagen, man weiß nicht, was die wirklich denken. Ich dagegen lasse sie anhand der gemachten Schnappschüsse – wie immer "aus der Hüfte geschossen" – an meinen Gedanken teilnehmen. Ob Sie diesen folgen können oder wollen, ist ganz allein IHRE Sache. Sie können ja denken, was Sie wollen. Ich tu's nämlich auch.

 

Hey welch eine Freude, auf der Fahrt zur Innenstadt wieder mal den altes Typus der Veteranen-Obusse auf Solingens Straßen zu sehen, in voller Fahrt (was heisst, dass er surrend daherzuckelt).
Wenn man sich den Fahrer besieht: waren wir Menschen damals wirklich alle kleiner, dass wir in diese schmalen Kisten gepasst haben? Wenn es sein muss, mit über 50 Personen?
Meine Frau macht mich dieser Tage auf einen eklatanten Mangel aufmerksam: Sie meinte, ich würde in letzter Zeit viel öfter das Wort "damals" als das Wort "demnächst" benutzen. Schlimm. Also beeile ich mich zu sagen: dieser Bus wird demnächst wieder fahren. Als Museumslinie. Es ist ein Spaß, damit herumzukurven, von Burg nach Vohwinkel und retour.


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Zugegeben. Ich bin ein altmodischer Mensch. Schon rein beruflich fühle ich mich dem Lehrsatz "forms follows function" verpflichtet; was heisst, dass alles Design einen Nutzen, Sinn, Zweck erfüllen muss, will es nicht per se l'art pour l'art (Kunst um der Kunst willen) und Beliebigkeit sein. Die Entwürfe dieser Fassade des Rathausneubaus, die der Öffentlichkeit präsentiert wurden, waren ohne diese albernen Streifen, die von der gähnend langweiligen Dekoration eines Schuhgeschäfts oder dem verzweifelten Versuch, einen Schulneubau aus seiner Hässlichkeit zu befreien, sich in nichts unterscheiden. Immerhin hat die Stadt deutliche Indentifikationsfarben, Blau und Gelb. Oder auch Schwarz-Weiß-Grün. Warum aber werden hier Design-Studenten aus dem ersten Semester rangelassen, die nur das zuwege bringen, was wir früher als Aufwärmübung in der Setzer-Berufsschule gemacht haben: Spielereien ohne Sinn?! Ich denk' mir immer, mit der Verwaltung kann man's ja machen. Wer soll es da wissen und merken? Wahrscheinlich wird der OB demnächst über das originäre Design salbadern, ich ahne es schon ...
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Aber bevor nun alle denken, der Kerl mosert schon wieder nur rum, nö, ich kann auch anders: Habe ich schon erwähnt, dass ich mich seit einiger Zeit sehr darüber freue, wie propper und sauber und adrett und gepflegt die Busse und Obusse sind? Ich befürchte (was heißt: ich bin davon überzeugt), dass vor allem der Einbau der Video-Überwachungs-Kameras den Schmierfinken die Lust vertrieben hat, optisch zu randalieren. Jedenfalls sollte man den Stadtwerken doch ganz einfach mal ein Lob zollen und sagen: Fein gemacht habt ihr das. Ohne jedes Wenn und Aber.

Es sei denn, man kommt auf die Haltestellen-Ansagestimme zu sprechen. Deren Geleier ist zum Erbrechen. Je mehr man es hört. Eine Beleidung für die Ohren. Mir kommt es immer vor, als hätte man jemanden genommen, der als Gemütskranker Sprechübungen machen soll, so leidend kommen die Ansagen rüber.
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Ganz ohne Frage ist das unter allen Solinger Straßen mein absoluter Favorit, der Hit schlechthin. Die Schwesternstraße (die Mummstraße gegenüber hieß früher Brüderstraße). Warum sie ein Hit ist? Als bundesweit einzige Straße ist sie breiter als lang. Denn die Häuser ab dem gelben gehören schon zur Straße Unter St. Clemens.


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Schade eigentlich, dass Karstadt abgerissen wird – oder auch nicht. Denn schließlich ist dieser, dieser ja was denn, dieses Ding, dieser Kasten, diese Schachtel, diese Hütte da im Vordergrund nach Art der evolutionären Metamophose im Design chamäleongleich an die Rippenstruktur des Ex-Karstadt-Kaufhaus-Bereichs angepasst. Ich glaube, hier in diesem taubengrauen Funktionsklotz ist ein Gefängnis untergebracht, oder die Verkehrsleitzentrale, oder der Schaltkasten für die Ampelschaltung oder der Wasserabsperrhahn für den Marktplatz – oder weiß der Geier, was.


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Rührend, wie sich hier die ältere Generation um die Kinder kümmert. Kaum wird das Turmzentrum abgerissen (siehe oben), dürfen die Kleinen, wie einst in Babel, einen neuen, eigenen Turm bauen. Aus all den Bauklötzen, die Solinger üblicherweise gerne staunen. Da gerade in Bejing Dopiade ist, lässt man sich auch in Solingen Betrug im Sport nicht verbieten: während laut heute (10. 8. 08) veröffentlichtem SPIEGEL Online Interview nicht ein einziger Spitzensportler dopingfrei ist, greift auch der Solinger Nachwuchs zu eigentlich unerlaubten Mitteln: wenn das Körpermaß nicht mehr ausreicht, klettert man eben auf eine Leiter. Das ist vergleichsweise so, als würde Dirk Nowitzki von der Spitze des Turmzentrums werfen ...
Und die Kleine im Vordergrund verrenkt sich die Arme wie eine chinesische Schlangenfrau. Irgendwie verwechselt sie wohl hinten mit vorne. Machen Sie's körperlich nach – und Sie werden wissen, wie es gemeint ist. Übung zwei: diese Arme rückwärts geschlossen-verschränkt über den Kopf nach vorne und dann die Handflächen nach außen drehen ...
Ihr Orthopäde wird sich freuen.


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Es ist müßig darüber zu jammern, ob und warum dieses Solinger Skyline-Wahrzeichen abgerissen wird – was ich persönlich aber besonders vermisse, ist dieser Antennenwald, gegen den jede Stasi-Zentrale und russische Eisener-Vorhang-Raketen-Stellung ein mickriges Funkerbüdchen waren.

Lustig übrigens: während man ohne jeglichen beweisbaren Anlass, nur rein vorsorglich, im Klinikum Solingen jedes Handy verbietet (obwohl, das ist ja der Witz, alle Ärzte mit Piepsern rumlaufen, die auf ähnlichen Frequenzen funken), setzt man demnächst aus Ermanglung anderer Möglichkeiten die Polizei- und Feuerwehr-Funkantenne auf das Bettenhochhaus des Klinkums. Ach neee, logisch, diese Strahlen – voll rausgepowert – machen dann gar nix. nö, nich? Das glaubt dann, wer seinen Herzschrittmacher ohnehin auf RTL oder SAT1 Akte X eingestellt hat.
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Seit diese Rinne installiert wurde (im Zuge des Umbaus des Neumarktes), habe ich mich schon immer gefragt, an was mich dieses Wasserbauwerk erinnert. Jetzt ist es mir bewusst geworden: an ein langes, breites Pissoir, bei dem man vergessen hat, die Sichtschutzwände aufzubauen. Aber der Gedanke hat ja bei Massenveranstaltungen durchaus seinen Reiz, zumal das eigens gebaute Klo (merke: 1 Topf für 7.000 Besucher) ja längst wegen Beschädigung geschlossen ist, wie von mir bei der Eröffnung vorausgesagt (trotzdem war ich's nicht).

Dieser Junge ist hoffentlich kein Solinger, denn einem Solinger Jungen ein Gummiluftballon-Schwert in die Hand zu drücken statt eines echten, womit er die Wupperflotte befehligt, ist ja ein starkes Stück.

Vielleicht ist der Brunnen ja auch nur ein Outlet-Center der Stadtwerke (siehe Fahne oben), in der das übriggebliebene Wasser (es regnet ja so viel in Solingen) verbilligt abgegeben wird.


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Ich erwähnte andernorts ja bereits mehrfach, dass man in Solingen zu Pragmatismus neigt. So ist es denn auch ganz selbstverständlich, dass eine Kletterwand von einer Versicherung und einer Krankenkasse gesponsert wird: Dieser Felssturz wird Ihnen präsentiert von ...

Aber wie man sieht, meistert die junge Dame den Parcour bravourös; tango-tanzend den Steilfelsen hinauf: Solinger sind für nix bang.

Sinnigerweise stand dieses Ding vor dem Turmzentrum: so soll den Kleinen der Abschiedsschmerz genommen werden, weil sie sich doch schon auf Basejumping, Freeklimbing oder House-Running vom oder aufs Turmzentrum gefreut haben.


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Und dann, als die junge Dame doch in den Seilen hing, dachte ich mir, vielleicht übt sich auch nur Politik. Denn derartige Klimmzüge (ohne zu schauen, wo es lang geht) sind in der Solinger Politik üblich, auch verliert man des öfteren den Halt unter den Füßen, es werden unmögliche Verrenkungen gemacht und vor dem Kopf hat man eine Mauer, vor die man mit selbigem schlägt. Und in den Seilen hängen sie alle, die Politiker. Der Seilschaften wegen. Also eine Politik-Ausbildung für Kinder? Kurios genug, dass das Kind auch noch ganz exakt die Hausfarbe der CDU-Frauenunion trägt. Lila, der letzte Versuch.


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Wenn Sie demnächst getrunken haben und von diesem Polizei-Auto verfolgt werden (STOP – FOLGEN), haben Sie nichs zu fürchten. Denn die noch grünen, demnächst blauen Jungs und Mädels haben durchaus Sinn für Humor im Nummerschild. Bei dieser Schnapszahl will Ihnen auch keiner eine Blutprobe entnehmen, im Gegenteil, Sie bekommen einen ausgegeben. Darauf können Sie nach altem Solinger Recht bestehen und pochen. Wenn nicht, fangen Se bitte eine Klopperei an, denn wir haben in der Schule gelernt: drei, drei, drei – war bei Issus Keilerei (Schlacht bei Issos, Sie erinnern sich, die ollen Makedonier/Griechen verkloppten aus Rache die Perser, gewannen und ihnen fiel so viel Geld in die Hand, dass der Sieger Alexander der Große damit sein gesamtes Heer ein halbes Jahr lang bezahlen konnte. War damals schon so wie bei Olympia oder Tour des France heute).


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Die Leichenfledderer waren schon da. Kaum hat Karstadt die Türen geschlossen, wird auch der Leuchtkasten-Schriftzug runtergerissen. Karstadt geht es wie den Hausfrauen: hinter dem Schrank fängt sich der Staub und die Tapete wird fleckig.


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