Turmhotel. Der Letzte macht das Licht aus (4)

Die Welt stürzt nicht gerade ein, wenn der Mittelpunkt Solingens abgerissen wird. Aber ein Turm. Immerhin das.

 

 

"Reste-Essen": The last dinner at Level eleven

 Samstag, 25. 10. 08

Den Abschied versüßen, das war Ziel dieser Eisbombe. Leckerbissen gegen die kapitalistische Gefühlskälte.


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Illustre Gesellschaft, diskret und anonym? Nö, nur ohne Blitz im Gegenlicht.


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Frei nach Heinrich Heine: "Belsazar"

Die Mitternacht zog näher schon,
in stiller Ruh' lag Soligon.
Nur oben in dem Turmhotel,
da flackert's, da ist es noch hell.
Dort oben, in dem Frühstückssaal
Solinger hielten ein letztes Mahl.
Der Solinger ergriff mit frevler Hand
Einen schwappenden Becher, gefüllt bis am Rand.
Und er leert in hastig bis auf den Grund
Und rufet laut mit scäumendem Mund:
"Kapitalismus! dir künd ich auf ewig Hohn -
ich bin ein Solinger, wer weiß das schon?!"
Doch kaum das grause Wot verklang,
Dem Solinger warÄs heimlich im Busen bang.
Und sieh! und sieh! an weißer Wand
D kam's hervor wie Menschenhand;
Und schrieb,und schrieb an weißer Wand
Buchstben von Feuer, und schrieb und schwand:

(Auf die Schrift klicken !)
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Ein letzter Wein,
ein letztes Bier;
ein letztes Bier,
ein letzter Wein;
ein letztes Bier,
ein letzter Wein;
nie Lettzer Wein,
ein llteztes Brie,
ein ltzetrs Bier,
ene läzter Weihn;
lain einer weiHn,
n läääzzte Birr,
lässszde bibibbiEr
ätze non wn, WN, Wnnn
.dfs.olläätze bbsd'BBeidoibcxx
sdfadggg
ggsdköls------m xccccymööö


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Nicht nur Nelken
welken ...

Grabschmuck im Turmhotel.

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Was bleibt, ist Erinnerung. Wehmut. Und das Gefühl, erstens kommt es anders, zweitens als Du denkst ...


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Die Platzgeschichte muss neu geschrieben werden. Optimisten sagen jetzt: Wir schlagen ein neues Kapital auf.
Jou. Schlag mal.


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Der Neubeginne gab es viele, wie die Vorsitzende des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Solingen, Dr. Beate Battenfeld anhand zahlreicher Bilder aus dem Solinger Stadt- und Privat-Archiven zusammentrug und dokumentarisch zu erzählen weiß. Hier direkt nach dem 2. Welkrieg, Fisch-Schneider verkaufte die Fischbrötchen noch aus der Bude heraus und zog erst später zur Kirchstraße. Im Hintergrund die zerbombte Markthalle und der "Deckel" auf dem Bunkereingang, der unter dem Neumarkt gebuddelt worden war.


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Bunker—Kino—Karstadt / Turmhotel: Die jüngere Karriere eines immer schon zentralen Grundstücks der Solinger Innenstadt.

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Und da stand sie nun einsam auf der Theke, die Krake des Kapitalismus, die ein Kapitel Solinger Geschichte beendet hat. Oben wirft man Geld rein, unten kommt Hässliches dabei raus, so ist er, der Kapitalismus. Ey, was guckst Du, Mann?


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Der letzte pustet das Licht aus !


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Fünf Minuten vor Mitternacht. Wir verließen das Hotel. Ein letzter Blick hinauf zum Turm, wo sich in einem Zimmer menschliche Schatten zeigten – und just da schallte von dorten ein klagender Ruf durch das nächtliche Dunkel der Stadt, warf auf dem gespenstisch leeren Neumarkt Echos und klang schaurig bis ins Mark: "Weeeee arrrre the Chaaaaaampionnnnssss, WEEEEEEE are the Champions, we are ..."

Ach, wär's doch so.


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Ende der Geschichte.