Scheiß-Wetter! Zu kalt, zu warm, zu trocken, zu nass.

Überall in Deutschland klagen die Menschen gerne übers Wetter. Und in Solingen, so scheint es, besonders gerne. Dem Solinger, dem das Wetter passt, ist keiner oder er hat nicht rausgeschaut aus der Stube. Solingen, so scheint es, ist der Mittelpunkt des zentraleuropäischen Wechselwetterklimas; eines, das seit der letzten Kälteperiode (im 17. Jahrhundert übrigens, also meteorologisch gesehen "vor kurzem") und in der beginnenden menschengemachten Erderwärmung immer den Joker zieht. Indem es regnet. Pech aber auch? Nein, genau im Gegenteil. Wasser ist – derzeit wenigstens – hier nicht knapp. Und angesichts von Abermillionen Menschen, die jährlich verdursten oder die ihre Existenz verlieren, weil es zu heiß, zu trocken ist, eher ein Paradies. Zumal wir von wirklich substanziellen Überschwemmungen wegen der bergigen Topografie weitgehend verschont sind. Einzelne Ereignisse beweisen nicht das Gegenteil.
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Genaues und aktuelles Ist-Wetter mit vielen Details; eine private Station, meines Wissens die detaillierteste für die Klingenstadt



Das Wetter, das oft ein Unwetter ist

Der orginale Blick in den orginalen Solinger Himmel ist nicht immer einfach. Denn den Himmel als solchen sieht man nicht immer, viel zu selten, wie viele sagen, dafür aber Wolken, und davon viel zu viele viel zu oft. Nun, wem ein Photoapparat und Phantasie gegeben ist, der kann sich wenigstens noch eines gewissen dramatischen Motivs erfreuen, während bei den anderen die Motivation, weiterzuleben, eher auf tief/Tief steht.


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Fotos: hgw

Wollen Sie einmal hören, wie sich dieses Wetter musikalisch anhört?

Eine Software hat dieses Bild in Töne übersetzt und daraus das SOLINGER WETTER-DIVERTIMENTO komponiert. Divertimento (Vergnügen, Tanzlied) vor allem deshalb, weil Ihre Ohren ebenso akustisch hüpfen werden wie Sie selbst von Pfütze zu Pfütze ...




Wo in Deutschland liegt Solingen? Diese Frage ist geographisch nicht zu beantworten, eher muss man sie meteorologisch stellen und lösen. Denn es ist egal, ob Regen in Nord-, Ost-, West- oder Süddeutschland angesagt ist, Solingen ist dabei. Meistens jedenfalls. Aber es gibt Ausnahmen, wenngleich das Regenradar die Klingenstadt gerne immer wieder blau einfärbt. Mal mehr, mal weniger. Aber mehr wird nicht weniger.

Wolllte nur mal zeigen, dass der Solinger Himmel wirklich so aussehen kann wie die Farbmarkierung der digitalen Regenradar-Karte von Wetter Online.


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Und mit solchen Aussichten geht man doch gerne ins Wochenende und die kommende Woche. Da muss man sich nicht erst großartig umstellen, über schnell wechselnde Hitze und Kälte klagen, nein, das ist so, dass man sich langfristig darauf einstellen kann. (2008)

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Aber immer wieder passieren größere Unglücke, wie dieses hier. Denn Sie werden ahnen, was prompt die Mehrheit der Solinger zu diesem schrecklichen Frühlingswetter laut stöhnend sagte?! Na klar, "Mensch, es datt wie'r warm, dat höülste nit uut. Ich bliëv em Schatten on drengk mer jet."


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Dann doch lieber so. Da fühlt man sich zuhause.


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Sie müssen aber auch zugeben, solch hässliche Farbtöne wie an einem Tag im frühen Mai 2008 sehen einfach hässlich aus. Dieses alberne Kirschblütenrot und das dämliche Himmelsblau, grausam.


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Da lobt man sich doch lieber vernünftiges Wetter. Unschwer zu erkennen, dies ist Ostern 2008 (23. März), mit allem, was man von einem schönen Weihnachten erwartet, vor allem Schnee.


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Doch eine neue Katastrophe droht: Erdreistet sich der sonst so zuverlässige Wetter-Online-Dienst aus Bonn uns Solingern dieses Wetter anzubieten! Wie sollen wir das aushalten? Da trocken wir ja aus mit unserer feuchtigkeitsgewohnten Haut.

Mai 2008


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Alles Gute kommt von oben

Kyrill war gerade 13 Monate vorbei, da lobte der DWD, Deutscher Wetterdienst, die nächste Katastrophe aus. Als Mörderorkan angekündigt, näherte sich ein Sturmtief mit extrem niedrigem Druck und deshalb um so höherer Geschwindigkeit von Schottland über die Nordsee Südskandinavien, so dass Gesamtdeutschland eine volle Kaltfront mitbekam. Wie im Bilderbuch prägte sie sich als eine schnurgerade Linie aus und weckte um 5.30 Uhr auch die Solinger mit Getöse aus dem Schlaf. Allein, es blieb beim Brausen, Schäden in größerem Ausmaß gab es keine. Doch die Wetter-Onlinedienste waren gut vorbereitet und zelebrierte eine Online-Information mit allen Details.

1. März 2008, meteorologischer Frühjahrsbeginn

"Volle Kanne" goss es über Solingen. Der ohnehin schon vom Regen vergangener Tage durchnässte Boden konnte nichts mehr aufnehmen. Doch wie man in den Regenradarbildern siet, es blieb nicht beim Dauergießen. Schon am späteren Vormittag war Rückseitenwetter, mit schnell ziehenden Wolkenfetzen und etlichen klaren Abschnitten. Jedoc wurde es noch einmal unangenehm kalt, aber nicht frostig.


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Gerne greift, in Ermangelung sonstiger Themen und als Beweis seiner intellektuellen Virtouosität, der Solinger auf den Spruch zurück, der Sommer fände dieses Jahr an einem Montag statt. Nun, Montag, der 6. August 2007, war solch ein Tag, denn für den darauffolgenden Dienstag war bereits wieder das angekündigt, was der Solinger seit seiner Geburt kennt: das schlechtere Wetter von allen Wettern in Deutschland. Egal, ob es mal im Norden, Süden oder Westen schlecht Wetter ist, wir hier sind immer Norden, Süden oder Westen.

 

Screenshots aus www.wetteronline.de

Das ist eben der Soli-Soli für den Osten, der Solidaritätsbeitrag Solingens zur Förderung der (k)alten Heimat: wir senden die Sonne in die neuen Bundesländer und begnügen uns mit grauen, triefnassen Wolken.

   

Wie verlässlich Wettervorhersagen sind, weiß ja angeblich jeder – nämlich gar nicht, so "Volkes Meinung" (was im übrigen faktisch nicht stimmt, denn über 90 % aller 24-Stunden-Vorhersagen professioneller Wetterdienste treffen zu. Aber eben: einige auch nicht). Gegen 18 Uhr ging an diesem Sommer-Montag über Solingen ein Gewitter runter, bei dessen blitz- und donnerschwangerem Start, längst hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet, Radio RSG in den 18-Uhr-Nachrichten noch keck verkündete "Später am Abend einzelne Regenfälle". Da waren nebenan schon die ersten Keller vollgelaufen.
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Bingo ! Man konnte am Himmel zusehen, wie sich binnen kürzester Zeit Gewittertürme bildeten. Als wäre die gesamte schwülwarme Luft der Kölner Bucht über Solingen und Umgebung hochgestiegen, braute sich binnen weniger Minuten ein formidables Unwetter zusammen ...

 

 ... und ließ gut eine Stunde nicht locker.

 

Mit dem Ergebnis, dass Solingen endlich auch mal – nach der Oder, England und Bangladesh – auch seine Überschwemmung hat. Mit großem Geheule waren zuvor zig Feuerwehrautos durch die Stadt gebraust – den tapferen Helfern sei Dank dafür.

ST vom 7.8.07

Der Eschbach heisst Eschbach, weil er ein Bach ist. Bäche sind natürliche Fließgewässer unter ca. 5 Meter Breite. Fließgewässer einer gewissen Länge und größeren Breite heißen in der deutschen Sprache Fluss. Warum ein Bach, nur weil er viel Wasser führt, ein Fluss wird – denn er wurde weder breiter noch länger – das weiss auch nur der, der von Deutsch nichts weiß. Weil, "wurde zum reißenden Gebirgsbach" wäre durchaus richtig gewesen.

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«Ich nix wissen wie gehen Deutsch weil ich nur Redacktör».

Doch Kommunikationsforscher und Rhetoriker mahnen:
«Begriffe und Worte sollten ernst genommen werden. Wir müssen uns stets bemühen, treffende, bedachte Formulierungen zu suchen, denn es gibt eine Interaktion zwischen Wort und Gesinnung: Worte beeinflussen unser Denken, so wie unser Denken anderseits unsere Sprache beeinflusst.»

Aber eben: wo et Folk ja ganz durcheinandrig redet, kannet de Zeitung doch auch.
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Dass Solingen zu den sonnenärmsten Gebieten Deutschlands gehört, zeigt diese Karte der durchschnittlichen Sonnenscheinstunden. Exakt 1473 sind es im statistischen Mittel nach einer anderen Erhebung und Veröffentlichung. Egal, ob knapp unter oder etwas über 1400 Stunden im Jahr, umgerechnet auf den theoretischen Anteil je Tag sind es rund 4 Stunden. Eigentlich gar nicht so schlecht. Aber doch eben eine Stunde weniger als im besten Fall.

 
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Im Spiegel ist das Bergische Land nicht gerade eine oft vorkommende Region. Wenigstens steht es mal in Spiegel Online für das, wofür es berühmt ist. Für den Regen.

Statt der im Bericht erwähnten 40 Liter sind übrigens 70 bis 80 Liter pro Quadratmeter gefallen. Das sind ca. 80 % der Monatsmenge und ein Zwanzigstel des gesamten Jahres!

Nur drei Tage später fielen in manchen Orten der Schweiz, unter anderem in Zürich, und Süddeutschland 100 Liter in 24 Stunden. Danach hatte der Rhein Hochwasser.

Hysterische Journaille: Kaum stieg das Wasser, geisterte schon der Begriff von der "erneuten Jahrhundertflut" durch die Gazetten. Nachweislich erst danach, als die Headlines schon überall prangten, erkundigte man sich, wie hoch das Wasser wohl steigen könnte. Es blieb, in diesem Falle "Gott sei Dank", hinter den Befürchtungen und ersten Erwartungen zurück. Fazit: Glaube den Medien erst, wenn etwas auch wahr ist, was sie schreiben.

 Spiegel Online 6.8.07

Zwar heißt das Sprichwort "Sich regen bringt Segen", aber in Kombination mit Sturm kann es dann auch schon mal heißen: "Regen und Sägen". Weil die Bäume im Sturmwind umkippen, weil zuvor der Boden tagelang mit unaufhörlichen Wassermassen beschüttet wurde.

Sieht man so eigentlich auch selten: ganz Deutschland im Regen, so gut wie ohne Ausnahme.

Die dafür verantwortlichen Frontverläufe sind in dieser Karte geradezu musterhaft zu erkennen. In der Nach vom 6. auf den 7. Dezember 2007, immerhin ist "Winter", schüttete es nicht nur "als wenn der Himmel alle Schleusen geöffnet hätte", sondern es wurde auch geradezu warm: nächtlicher Temperaturanstieg gegenüber dem Tag. Und das in einer Winternacht: auch mal was Nettes. Folge: Wer wetterfühlig ist, brauchte an Schlaf erst gar nicht zu denken.

Das prognostizierte Sturmtief für den Nachnikolaustag 2007. Wahrscheinlich hat man ihm und Knecht Ruprecht in Solingen zu viel Glühwein angeboten, dass er nun wieder mit seinen Rentieren nach Skandinavien zurückbraust.


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Am 14. Januar 2008 ist der Sonnenaufgang über den Solinger Wupperbergen mehr als außergewöhnlich. Über eine halbe Stunde lang brennt der Himmel in unglaublichen Farben. Diese Fotos sind NICHT farbverfremdet, sondern geben (bei knapper Belichtung) die Originalfarben wieder. So habe ich es zuvor auch noch nicht gesehen.


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Nix da, meint Gitta Plett, nicht nur am Sturmsloch sei die Welt morgens um 7 noch in Ordnung, auch von der Krahenhöhe sei ein Blick ins Firmament von erbaulicher Schönheit. Ich dagegen behaupte ja immer noch, diese Aufnahme hat sie bei einer Löwensafari irgendwo in Afrika gemacht. Aber sie sagt, neee, also muss ich es ihr mal glauben.

Bei so viel schönem Solinger Wetter muss man nun aber auch schleunigst das Gegenteil beweisen.


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Ja, wenn wir unsere Kerstin nicht hätten, wo käme dann all das Grauen her, das uns tagtäglich doch so vertraut geworden ist. Das Grauen der Wolken, des Himmels, der Berge, der Landschaft – das Grauen, das einem begegnet und einen erfasst, wenn man in Solingen mit dem Auto durch die Gegend fährt und eine Kamera griffbereit hat. Kerstin Ehmke-Putsch ließ sich vom Regenwahn einlullen. Nebenbei gelingt ihr noch eine sprachliche Pirouette, die das Elend dieser Region auf den Punkt bringt und treffend pointiert, warum wir wenigstens über eins froh sind: viel und gutes Trinkwasser zu haben. Wie im Schlaraffenland: es tropft uns in den Mund, wenn wir ihn vor lauter Staunen über das Wetter mal nicht mehr zu bekommen. Was aber eine echte Sünde ist, denn viel zu viele Menschen auf diesem Planeten haben keinen direkten Zugang zu gutem Trinkwasser !




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Na bitte, es geht doch. Immer diese scheißfreundlichen Sonnenaufgänge. Nix da, hier wird geregnet, und zwar anständig. Und das Gemüt blockiert, so dass der grauenhafte Stumpfsinn Methode wird. Was Kerstin allerdings im Regen im Auto unter einem Baum zu suchen hat, weiß ich auch nicht.


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So stelle ich mir immer Bilder aus der Heilanstalt vor, kurz nach der Einlieferung mit der Diagnose "nonversible manifeste polymorphe Depression mit latenter viralvitaler Morbidität und pathologischer Kognitions-Dysfunktion im finalen Stadium", wenn Sie wissen, was ich meine ... auf gut deutsch: kurz vor dem endgültigen Beklopptwerden. Kerstin Ehmke-Putsch aber gibt an, diese lebensbedrohliche Wetterkrise durch innere Heiterkeit überwunden zu haben. Da bin ich aber froh.

Was ich noch sagen wollte: ja, genau so ist es, das Solinger Wetter. Fast immer, jedenfalls meistens, oder doch oft, sogar manchmal, wenn nicht gelegentlich oder zumindest hin und wieder.