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Solitor, noch ein Tor (2) |
Kreativität kann grausam sein. Wenn man reich ist, gilt man auch als klug. Kommt Ihnen der Satz bekannt vor? Stammt aus dem Armuts-Klagelied des Milchmannes Tevje des Musicals "Anatevka – Fiddler on the Roof". Wenn man Investor ist, darf man sein Ding nennen, wie man will. Andere müssen es ja nicht gutheißen. "Solitor" möchte man das "Neue Tor zur Mitte" nennen. Irre witzig, oder? Uuiih, da sprüht aber der Geist. Solingen-Tor, Solitor. Das klingt wie früher: Rasierklingen wurden so genannt. "Solitor – mitten im Leben" heisst der komplette Slogan der Vermietungs-Gesellschaft, die bis heute, der Inbetriebnahme des Rathauses, noch verzweifelt Mieter sucht. Könnte es sein, dass am Ende der Name gegen sich selbst spricht: der Narr, also der Tor, bleibt alleine, soli ?
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Der OB und die Pflicht, glücklich zu sein
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Das ist eine der Kröten, die alle schlucken mussten. Denn das Ratloshaus kostet so viel, dass die Stadtverwaltung sagt: wir selbst hätten es gar nicht bauen können. Wieso eigentlich nicht? Jeder seriöse Bürger bekommt ein Bau-Darlehn. Wieso die Stadt eigentlich nicht? Ist sie etwa nicht seriös?
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So sehen fröhliche Oberbürgermeister aus und so unverhohlen feixen fröhliche Investoren. Eitel Freude und Sonnenschein: der Coup ist gelungen, die Parteien sind einge- und be-fangen, die Verwaltung hat ihren Willen durchgesetzt, über 5 Millionen sind vertraglich für die Miete zugesichert, eine Verpflichtung, dass zukünftige Eigner des Objekts (es kann verkauft und gehandelt werden wie jede andere Immobilie auch) das Gebäude in Schuss halten muss, gibt es nicht, der OB Franz Haug wird eh bald in Ruhestand gehen – was also will man mehr?! Der clevere Taktierer hat's allen noch mal gezeigt. Aus dem Slogan "Mehr Franz ins Rathaus" wird "Das ist Franzens Rathaus". Da lacht der alte Indianer: Haug, ich habe gesprochen.
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Das hat er drauf, das muss man ihm lassen, das macht er gut, da ist er der richtige Mann mit Charme und Charisma: Oberbürgermeister Franz Haug lächelt weise für das Zeitgeschichte-Foto. Mit dem gläsernen, symbolischen Schlüssel in der Hand kann er nun seinen Glaspalast in Gebrauch nehmen. Wer weiß, vielleicht benennen wir das Gebäude dereinst "Casino Francisco", kombiniert aus der Symbolik, dass der fromme Mann Geld eingesetzt hat, ohne es zu haben. Das muss man erst mal können. Franz Haug ist es gelungen.
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Assoziation: Franz Haug in der Pose des alten Bismarck: Der Lotse verlässt das sinkende Schiff. Eine Spende in der Hand, den Schlüssel fest umklammert, im Niedergang (so heißen Treppen auf Schiffen) befindlich: Der Dampfer Solingen säuft ab. Führt zu einer anderen Zitate-Assoziation: Franz hat seine Schuldenlast getan, Franz wird gehen ...
... und wetten, der nächste OB heisst nicht mehr Franz (Haug), sondern Hartmut (Hoferichter) und auch nicht Jörg (Becker).
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Gut, ich bin ein Stänkerer. OK, meine Leidenschaft ist Kabarett. Ja, als Journalist hat man eine große Klappe. Aber verdammt noch mal, beim heiligen Franziskus, warum soll dieser Mann nach seinem Ausscheiden aus dem Amt als OB nicht als Wunderheiler wirken? Er hat uns 10 Jahre Wunder verkündet ("Blühende Bananen" oder wenigstens doch eine "blühende Innenstadt" mit Dauerbaustelle), Franz Haug kennt jeden Verein und alle lächeln ihn immer an, um dann hinter seinem Rücken über ihn herzuziehen, seine Fans (siehe Bild) sind kerngesund – warum also soll dieser Mann nicht auch weiterhin das Blaue vom Himmel versprechen, an das Gute glauben und dafür mehr verlangen, also nur mit dem Dalai Lama verglichen zu werden: Als sparsamer Schwabe hat er es verdient, dass man sich auch jede Kritik an seiner Person spart. "Net schwätze, schaffe", war einst sein politischer Wahlkampf-Spruch. Und so hat er doch nur getan, was von Schwaben zu erwarten ist: schaffe, schaffe, Rathäusle baue. Ein Wunder, heiler denn je.
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Viel Prominenz war nicht vertreten bei der Schlüsselübergabe. Eva Nagy beispielsweise, aber die ist immer da, auch ohne Schlüssel. Hartmut Hoferichter, der will und muss schon mal gucken, wie es demnächst geht, wenn man OB ist. Die Polizei in Person von Maik Brückmann, dem sympathischsten Cop von Solingen. Warum sollten beispielsweise auch die Parteien anwesend sein und den Bürgern erklären, was diese ohnehin nicht verstehen können. OB Haug macht das doch für sie alle ganz perfekt, siehe Bildmitte.
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Dementi: Nein, es stimmt NICHT, dass hier ein Vertreter von "Solingen gehört uns" OB Haug zu überreden versucht, den Schlüssel an die Bürgerinitiative weiterzugeben. Nein, das Rathaus gehört nicht uns, den Bürgern. Das Rathaus gehört Investoren. Und Investoren, das wissen wir doch seit Franz (nicht Haug, sondern Müntefering), gehören geheuschreckt.
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Es irrt der Mensch herum, solang er sich noch nicht auskennt
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So orientierungslos wie Solinger Politik ist auch zunächst der Bürger im Rathaus. Dort haben sich die Parteien je eine Etage reserviert. Die roten, bei denen sind ja bald die Brünnlein-Linken (la Fontaine) mehr als es Sozis à la Brand-Enkel gibt, die Blauen, was für die CDU steht (sorry, jetzt bitte keine Anzüglichkeiten, denken Sie allenfalls an Möricke und sein blaues Band der Lüfte und Düfte), die Grünen und die – aber hallo, sind das schon die Braunen oder noch die Gelben, sprich FDP, die da Platz im Rathaus beanspruchen?
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Soviel Andrang wird es im Rathaus nie wieder geben. Es sei denn, es gibt wieder einmal Freibier, wie – oh Wunder – doch tasächlich nach der Schlüsselübergabe geschehen. Na ja, irgendwie musste man ja das Volk ruhigstellen.
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Drinnen: Ratlosgikeit statt Rathäusigkeit. Ja, wo geht man denn jetzt am besten hin?
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Andrang auf den Fluren.
Wurde nur noch übertroffen vom Andrang auf den Damentoiletten.
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Man könnte meinen, der Verwaltung geht der Bürger "am Arsch vorbei". Oder resignierend herumalbern und sagen: na klar, seit jeher wissen wir Bürger alle ja ganz genau, wer-wie-was Ressort 5 ist. Analytisch betrachtet: ein Verwaltungsgehirn kann wahrscheinlich gar nicht anders, als zu kurz denken. Was will uns "Leitung Ressort 5" wirklich sagen – uns Besuchern, Bürgern? Sollen wir jetzt den Orga-Plan des Konzerns Stadt Solingen auswendig lernen? Überhaupt Konzern: Konzerne machen heutzutage entweder Profit ohne Ende oder pleite. Die Stadt als Konzern ist so tief verschuldet, dass sogar keine Pleite mehr möglich ist.
Übrigens: Ressort 5 ist "Planung und Bodenordnung", Ressortchef ist zur Zeit Erster Beigeordneter Hartmut Hoferichter. (Allein der Begriff Beigeordneter ist eine Perversion der Sprache: Der Beigeordnete erlässt auf Anordnung eine Verordnung zur übergeordneten Neuordnung von Ordnungswidrigkeiten im Rahmen der Gemeindeordnung als Zuordnung zur Nutzungsordnung der Garten- und Friedhofsordnung ...)
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Schindlers Liste einmal anders: Wer das Rathaus besuchen will, muss bis drei zählen können.
Höher hinaus geht es nämlich nicht.
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Wäre es nicht schön, man hätte allen Etagen Stadtteilnamen und den Büros Ortschaftsnamen gegeben statt technolkratischer Nummern? Wo kann man seinen Hund anmelden? Auf der Etage Ohligs in Zimmer Mankhausen. Und wo gibt es den Rentenantrag? Auf Wald in der Eschbach. Wäre doch echt solingerisch. Ab so: In 3.314 auf dem 3. OB übers TH2. Jou. Klingt, als wenn der THW eine Katastrophenübung macht.
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Körpersprache lügt nicht. Was sagen uns diese drei Personen? Hände auf dem Rücken in dieser Situation, dicht vor der Frontscheibe? Ganz einfach, Widesprüchliches in sich. Ganz Rathaus-like. Nämlich: Siehste, ich habe keine Angst vor dem Sturz in die Tiefe, halte mich aber lieber mal (im fiktiven "hinten") fest. Die Person links: locker-desinteressiert, selbstbewusst-skeptisch. Die Dame rechts offen-interessiert, aber vorsichtig. Der Herr rechts: stoisch-souverän. So, und ab jetzt beobachten wir mal im Glashaus die städtischen Mitarbeiter. Ihre Minen, ihre Körperhaltung, ihre Aktivitäten. Ab sofort stehen sie unter permanenter Beobachtung durch die Öffentlichkeit. Schaufensterbummel in der City? Das war gestern: Beamten schaffen sehen, das ist die neue Seh-Lust. An den Fensterreihen lang und Faxen machen, da freu' ich mich drauf.
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