Ratehaus (3)

Politik ist ein Rätsel. Je älter man wird, desto weniger weiß man, was überhaupt gefragt wurde. Denn keine Antwort passt zur anderen.

Diese nette Antwort gab mir mal ein Mitglied des Rates auf die Frage, ob er den Durchblick hätte. Ratlose Räte, hauslose Rathäuser? Nein, jetzt ist die Stadtverwaltung, gemeinhin mit "das Rathaus" übersetzt, wieder einigermaßen zentral beisammen, was gewaltige Vorteile hat. Einigermaßen heisst auch, dass es noch eine größere Bürolandschaft in der Ohligser Heide gibt und ein paar ganz wenige andere Außenstellen, etwa das Standesamt in Haus Kirschheide, das Straßenverkehrsamt an der Gasstraße. Eigentlich wären ja die Verwaltungswege nun buchstäblich kürzer geworden. Aber schon höre ich die Ausrede: Ja, wir wissen ja selbst nicht mehr, wer jetzt wo sitzt. Der OB, sagte er selbst, bleibt im Altbau. Logisch: Alles andere, ein helles Büro im Neubau, hätte da einen Skandal ersten Ranges ausgelöst. Keiner hätte es ihm gegönnt, hier in dieser Stadt. Schon aus Prinzip nicht. Und deshalb sind wir wohl die einzige Großstadt, bei der der Oberbürgermeister im Hinterhof residiert – von der neuen Perspektive aus gesehen.

 

Gedankensprünge

 

Direkt vor dem Rathaus steht ein Flaschencontainer. Das macht mich stutzig. Ich sage aber aus rechtlichen Gründen nichts dazu.


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Das sind die langen Bänke, auf die der Rathausneubau immer wieder geschoben wurde.


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Die Solinger Stadtverwaltung hat eine neue Adresse. Rathausplatz 1. Sie hat auch einen Nachtbriefkasten. Frage: Und wohin mit den Briefen tagsüber? Und überhaupt: wollen wir mal wetten, wie lange es dauert, bis irgend ein "Witzbold", sprich Krawallmacher, ein Feuerchen darin macht? Oder Tinte reinkippt? Und überhaupt: Wie lange dauert es, bis die Mauern des neuen Rathauses das erste Grafitti haben? Meine Schätzung: weniger als 1 Monat. Wahrscheinlich sogar weniger als 1 Woche. Es ist zwar eine Schande und ein Jammer zugleich, aber auch globale Realität.


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Das ist die neue Adresse, der Rathausplatz persönlich. Was erkennen Sie auf seinem Boden? Na klar, Bergisch Pepita, kleinkariert. Symbole, wohin man tritt.


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Psychologie pur. Was, dachten sich die behördlichen Lenkungsdenker für die Eröffnungsparty aus? Na klar, wir blasen den Bürgern einen. Unter anderem auch den Marsch. Und Solingens hoffnungsvolle Bigband-Talente tröteten munter drauflos.


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Durch seine Sucher lernt ganz Solingen diese herrliche Stadt kennen. Zusammen mit Christian Beier (cb) ist Uli Preuß (up) der Haus- und Hoffotograf des Solinger Tageblatts. Seit einiger Zeit mit Digitalkamera plus Video-Camcorder unterwegs. Ein engagierter Fotograf, der über das reine Tagesgeschehen hinaus zahlreiche Serien gemacht und Themen aufgearbeitet hat. Auch im karitativen Bereich ist Uli Preuß sehr engagiert und dokumentiert, was er am liebsten nie sehen würde: viel Elend und Leid. Aber die Bilder sind auch immer wieder Motivation, aktiv dagegen etwas zu tun. Doch auch die angenehmen Dinge des Lebens sind sein Metier: er geht gerne in die Luft, um vor allem Solingen aus der ungewohnten Sicht zu zeigen. Wie oft er im übrigen den OB Haug schon fotografiert hat, wird er selbst kaum nachzählen können. Es müssen x-tausend Bilder sein.


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UP im Element: Erst Pommes, dann Interview. Satt lässt sich Zufriedenheit besser in die Kamera sprechen. Ein alter Journalisten-Trick: der Hormonspiegel bestimmt die Antworten.


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Der Herr links wäre gerne auch als OB in ein neues Rathaus eingezogen, wenn er es nicht geschickt genug angestellt hätte, dass ihn vor rund 10 Jahren Franz Haug (CDU) in der Wahl förmlich überrollt hätte: Ex-OB, SPD-Ratsmitglied Ulrich Uibel, der als "gelernter Strippenzieher" (Urteil eines Genossen über ihn) immer noch intensiven Kontakt zu all denen hält, die ihm nutzen. Kein Wunder, dass sich Parteigenosse und der Bezahler des neuen Rathauses, Dezernent/Kämmerer Ralf Weeke verlegen lächelnd an ihn wendet und skeptisch auf Zuspruch hofft. Warum? Weil Uli Uibel Geschäftsführer der Genossenschaft "Ohligser Wohnungsbaugesellschaft" ist. Und die hat – aus der Zeit vor Uibel – eine arg desolate Finanzlage. Was also wird Weeke ihn wohl gefragt haben können? Na logo: "Ey Uli, meinste, wir können auch ohne Miete zahlen hier wohnen bleiben?" – Oder: "Samma, wie macht man das, Häuser ohne Geld?" Der Gefragte aber schweigt wie eine Sphinx ...

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Dieses Zelt, wünschten sich viele Besucher, dürfe niemals vor dem Rathaus verschwinden: Was, wenn nicht Zirkus, sei sonst das richtige Symbol? Und das Spielmobil, zu dem das bunte Ding gehört, doch die richtige Beschäftigungs-Therapie für verzweifelnde Stadtbedienstete. Denn die müssen sich doch wie in einem Kindergarten-Zirkus vorkommen:
Kein Geld zum Ausgeben, keine Freiheit der individuellen Entscheidung, jetzt auch noch von einigen Dezernenten einen Maulkorb-Erlass der diktatorischen Extra-Klasse.
Also: das Zelt bleibt. Basta.


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Der singende, dichtende Super-Cop Maik Brückmann, als Bezirkspolizist zuständig für alles, was in der Innenstadt passiert, lässt sich auch vom Festtagstrubel nicht aus der ernsten Mine bringen: Das Auge des Gesetzes ist stets forschend- wachsam und der Notizblock für allfällige Protokolle ruht sicher in der Hemdenbrusttasche. Und die Lesebrille auch. Merke: auch Polizisten werden älter. Er, der Platzhirsch: drei Sterne, grüne Kappe. Der Kollege (Azubi?): kein Stern, weiße Kappe. Drei Schritte dahinter. Alte türkische Regel um zu zeigen, wer das Sagen hat. Und da die Nordstadt in der Solinger Bevölkerung bis jetzt auch gerne mal "Klein-Istanbul" genannt wurde, zeigt Brückmann, wer der Chef im Ring ist. Aufgekrempelt hat er die Ärmel ja schon. Aber nichts für ungut: wären alle so kreativ, fröhlich und einfallsreich wie Maik Brückmann, wir würden nach viel mehr Polizei rufen.


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Ist ja zum Kugeln: von ferne grüßt die kreuzlose evangelische Stadtkirche, voll eingerüstet.


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Der Solinger Dom, die St.- Clemens-Kirche, im Grün der Innenstadt, vom Rathausflur aus gesehen.


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