Schloss Burg & Bergische Kaffeetafel (2)

Wupperwärts: Burg ist immer eine Reise wert.

 

 Früher wurde man nach der Schule in den "Ernst des Lebens" entlassen. Heute ist die Welt ja nur noch ein riesiger Fun-Park. Eine globale Freizeit-Location. So auch Schloss Burg. Das Vergnügen ist, hier sich vergnügen zu können. Zum Studium historischer Erkenntnisse wird keiner der Kids nach Schloss Burg geschleift, um das Schleifen der Burg zu betrachten. Nein, auch die Eltern vergnügen und delektieren sich an allerlei Köstlichkeiten fester und flüssiger Form. Schloss Burg, das ist Mittelalter zum Spielen. Kein Wunder, wenn jetzt auch Ritterspiele und Jahrmärkte dort ein ständiges Zuhause haben.


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Gefoltert wird keiner mehr, nicht mehr ins Verlies geworfen oder aufs Rand gespannt. Es sei denn, mittels der Preise, die so ein Vergnügen allemal hat; aber der Gerechtigkeit halber muss deutlich gesagt werden, dass Schloss Burg mit allen Lokalitäten fernab vom Nepp ist. Nein, die Preise sind überall milde bis familiengerecht, wenn auch die Bergische Weisheit gilt, umsonst ist nur der Tod, und selbst der kostet das Leben.


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Hier wird nicht mehr gefoltert? Mag sein, aber geheiratet. Und es soll Zeitgenossen geben, die halten beides für ein- und dasselbe. Ich sehe das auch so, dieses Paar hoffentlich auch. Und deshalb stört auch nicht der Medizinmann, der mit dunklem Schirm tamtam-tanzend die Geister vertreibt. Die Lichtgeister. Auf dass das Teleobjektiv völlig subjektiv Glück auf den gepixelten Chip bannt. Ach, kann Liebe schön sein.


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Keine Geister auf dem Schloss? Natürlich gibt es Geist auf Schloss Burg zu trinken. Flaschengeister zu Hauf, vor allem aus Beeren allerley Art.


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Leider gibt es zwar in den Wupperbergen keine Weinstöcke, aber irgendwie scheint es doch einen Schloss-Burg-Wein zu geben. Gleichwohl Solingen an sich eine extrem feinnervige Wein-Kultur hat. Typische Szene in einem Lokal:

Gast: "Ich würde gerne einen Wein trinken."
Wirt/Bedienung: "Rot oder Weiß".
Die Alternative Rosé wird erst gar nicht angeboten (was soll auch der Quatsch, zwei ist Auswahl genug).
Dass nach Rebsorten, nach Jahrgängen, nach Anbaugebieten unterschieden wird – ja, wo jött et denn su jett? Su'n Bohai maaken wir nitt.


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Irgendwie un-bergisch, aber ur-deutsch. Fachwerkgemäuer der eher süddeutschen Art auf deftigem Sandstein. Solche Fotomotive sind ein Grund für die Postkarten-Idylle von Schloss Burg.


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Wenigstens Tradition und altes Handwerk ist hier zu finden, was den Ort sehr sympathisch macht. Und mehrmals im Jahr gibt es Handwerkermärkte, die die Besucher in der Illusion in längst vergessene Zeiten zurückversetzen können.

Der Schuyermaaker passt gut ins Bergische. Denn nichts tut die gemeine Bergische, Solinger Hausfrau freitags lieber, als mit dem dreimal gebrauchten Badewasser (erst die Kinder, dann der Vater, dann das Personal) den Dürpel zu schrubben, abzuscheuern.



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 Ja, spinnen tun sie, nicht nur die Römer, auch die Bergischen, also der Stamm der germanischen Sugambrer (die von den Römern nie kolonialisiert wurden, so wie die Kölner Colonne). Und weil sie spinnen, gibt es hier ein uraltes Sprichwort:
Spinnen am Morgen
bringen Sorgen.
Abgeleitet vom Wolle oder Flachs spinnen. Das war früher eine Abendbeschäftigung für Hausfrauen (früher = vor hunderten von Jahren). Doch wer schon morgens spinnen musste, war entweder ein Dienstmagd oder arm. Und so wurde der Doppelsinn des Wortes auf die unschuldigen Tierchen übertragen.
Aber darüber wollen wir uns jetzt nicht in die Wolle kriegen ...


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 ... denn sonst ginge der Rote Faden verloren.


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 So manches schiefe Haus ist auch ein Schieferhaus. Denn drunter ist Fachwerk. Schieferplatten (aus dem nahen rheinischen Schiefergebirge) kamen als Regenschutz drauf. So hält das Haus erheblich länger. Und ökologisch ist es auch noch, denn logischerweise heizt die Sonne die schwarzen Schiefer auf – wir Bergischen sind die Erfinder der Solarheizung. Und der Wärmedämmung. Denn mit Stroh vermischter Lehm ist die nachweislich ökologischte Wärmeregulierung für Wände, und zwischen dem Fachwerk ist solcher Lehm. Nicht selten vor allem deshalb so besonders gut, weil mit Kuhfladen angerührt. Dazu aber jetzt kein Kommentar.


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 Dieser Turm heisst Batterieturm, was ihn als Lagerturm von Munition und bewehrt mit Geschützen ausweist. Heute ist darin die Gedenkstätte für den Deutschen Osten untergebracht, Mahnmal der Vertreibung in Europa. In einem daneben stehenden knuffigen Miniturm sind zwei ostdeutsche Glocken untergebracht. Verschiedene Vertriebenenverbände feiern hier jährlich Gedenktage. Interessant, wie Schloss Burg so gesehen "an den Osten kommt"? 1951 wurde die Gedenkstätte eingeweiht, irgendein Politiker wird dies so eingerichtet haben.


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 Die idealtypische Fassade des Schloss-Burger-Hauptgebäudes, beim Wiederaufbau ab 1890 so gestaltet. Im Mittelalter hätte es keine solche Burg geben können – Fenster wären tödliche Einladungen an die Feinde gewesen, dort reinzuballern. Aber diese historischen Unkorrektheit rechtfertig auch den widersprüchlichen Namen: mit dieser Fensterpracht ist die Burg eben ein Schloss.


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