|
Solingen ist schön (3) |
SOLINGEN IST SCHÖN.
Denn wo gibt es sonst noch ...
|
Wo gibt es sonst noch ...
hat man das Vergnügen, sich bewusst zu sein, dass in der Landeshauptstadt Düsseldorf immer die Sonne untergeht – und niemals aufgeht. Aus Solinger Sicht jedenfalls. Und dafür, dass die eingebildeten Pinkel aus dem Dorf an der Düssel (Achtung, nicht zu verwechseln mit dem Dorf, das wirklich Düssel heisst) uns die Bergische Regierung weggeschnappt haben, die mal in Schloss Burg residierte, ist das eine schöne Genugtuung, Düsseldorf in der Dämmerung versinken zu sehen. Strahlender Abendhimmel verkündet täglich diese Botschaft und als Solinger weiß man dann auch genau, wo die Patenstadt Gouda liegt, deren Käse der Solinger schon immer leidenschaftlich mochte: nämlich genau da, wo die Sonne im Frühjahr und Herbst den Boden berührt. Golden wie ein Rad Gouda Käse. Aaaaah..
.
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
gibt es Bäume, die aus Köpfen bestehen. Kopfweide heissen diese Dinger und sind in feuchten Auen, nahe der Bachläufe, aber auch zur Abgrenzung von Feld und Hain, früher ein eher übliches, heute geliebtes und naturgeschütztes Charakteristikum. Sie werden alle paar Jahre gestutzt, sehen dann aus wie "Rübe ab" und sprießen langsam wieder nach. Womit man Solinger Politik und das Schicksal der Solinger Politiker abschließend beschrieben hätte. Es sei denn, man gehöre der Champignon-Fraktion an: kaum steckt einer den Kopf aus dem Mist, wird er abgeschnitten.
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
gibt es Verbindungsstraßen, die auf natürliche Weise regeln, wer vormittags und wer nachmittags fahren darf. Begegnungsverkehr ist hier eher ein Fall für die Geschicklichkeitsprüfung; aber wir hörten ja bereits, dass es den Gräfrather sowieso nicht nach Wald, den Widderter nicht nach Aufderhöhe, den Schaberger nicht nach Meigen zieht. Was also brauchen wir breite Straßen zwischen den Hofschaften?
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
gut getarnte Verstecke für riesige Stadtteile, in denen tausende von Menschen Wohnen? Sollten die Häuser einmal nicht so schön geraten sein, dass sie als Vorbild für die modernsten Städte der Welt genommen werden können, nun, dann lässt man eben den Urwald über die Sache wachsen – und es hat sich. Solingen ist eine pragmatische Stadt. So Gras über die Sache wächst, können die Schafe erneut grasen, sagt eines ihrer Sprichwörter.
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
Schwalben, die dem Autowanderer auch im Spätsommer jubilierend in der Dieselabgasfahne folgen? Zwar macht eine Schwalbe noch keinen, aber dieses muss ein hübscher, vielfältiger Sommer sein. Ich hoffe nur, die sammeln sich nicht schon zur Herbst-Abreise. Das wäre für Anfang August noch was früh. Aber früh übt sich, was eine Wanderschwalbe werden will, und von den Wanderfalken jedenfalls gibt es in Solingen reichlich viele.
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
das Privileg, sein Haus völlig in Grünzeug zu verstecken. So manches Fachwerkgebälk, obwohl auffällig schwarzweiß, ist im Urwald der Solinger Kranzwälder und -wiesen kaum zu finden, weswegen im Solinger Gemüt auch immer ein wenig Kontaktscheu mitschwingt. Trifft er sich dann, der Solinger, mit anderen Solingern, gib es sofort Streit, weil jeder Recht haben will, was in der Einsamkeit des abseits gelegenen Hauses nichts ausmacht (das Mitspracherecht von Frauen beschränkt sich in manchen Hofschaften sowie immer noch nur auf Themen wie Kochen, Putzen, Flicken, parat stehen, wenn dem Hausherrn ein Furz quer sitzt): Solingen ist schön, weil man sich hier eben so schön streiten kann, um sich dann gemeinsam den Buckel vollzusaufen. Freundschaft definiert sich eben über die Promille. Bis zum nüchtern werden. .
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
Privilegien fürs Landvolk? Des Landwirts Verkehr ist frei, oder verkehrt er frei, oder wäre nicht die Trennung
Land-
Wirtschaft-
licher Verkeh
eher angebracht, damit auch jener Verkehr frei wäre, der von der Wirtschaft auf dem Lande kommt. So aber ist es nur dem Landwirt vergönnt, obwohl wir so viele Wirte auch nicht mehr haben, die ihr Lokal mitten im Land stehen haben.
Müsste es nicht eher nach EU-Recht sowieso heißen:
"Dynamische Ortsveränderungen mobiler Geräte und Güter agraischer Produktionseinheiten ohne Beschränkung zugelassen" statt eines so altmodischen Schildes?
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
Spatzen, die von den Dächern pfeifen können, wo es Pferdeköttel gibt? Was des Hobbygärtners hellste Freude und des Wanderers stinkendes Anhängsel, ist des Solingers treue Wegmarke: ja, hier ist sie noch heil, die Welt, da die Autos noch nicht alle treuen Freunde der Menschen verdrängt haben. Man muss kein indianischer Fährtenleser sein um zu ahnen: gleich tritt mich ein Pferd
– im Weg entgegen..
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
stolze Burgfräuleins, die unvermittelt aus dem Gebüsch auftauchen, um ihres Weges zu traben? Da also tritt in der Tat das Pferd nicht nur zu Tage und in den Weg, sondern auch klappernd die Hufe auf den brüchigen Asphalt, so dass es klingt, wie einst der Amboß durchs Tal geschallt haben muss – kling, klapp, ritsch, ratsch. Diese junge Dame grüßte mich jedenfalls auf herzlichste aus ihrer luftigen Position und ich hoffe nur, der CO2-Wert meines neuen Diesels hat ihrem Hotta keinen Lungenschaden zugefügt. Das Pferd jedenfalls, so meinte ich gesehen zu haben, hat mich auch freundlich angeblinzelt. Ja, freundlich sind wir Solinger eben.
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
diese Vielfalt an Grün auch sommertags wie hier im Ittertal (die Itter fließt übrigens nach Düsseldorf, was wir ihr nicht verzeihen, dafür entspringt sie jedenfalls in Gräfrath). Das Bergische Land, dessen schönster Ort Solingen nun einmal ist, bleibt und so definiert wird, basta, ist de fakto von einem gar nicht mal so kleinen Grüngürtel umgeben. Man könnte auch sagen: versteckt auf Hügeln liegen einige Örtchen, die sich einbilden, zusammen eine Großstadt zu sein und zwischen den Hügeln liegen hunderte von Hofschaften, die nichs lieber mögen, als dass man sie ja in Ruhe lässt.
|
. |
Wo gibt es sonst noch ...
Endhaltestellen von Buslinien, wo die Fahrer in Ruhe et Bütterken auspacken und Kaffee aus der Thermosflasche trinken können, ohne dass sie auch nur ein einziger Fahrgast je belästigen würde. Die "Eschbach"-Linie endet dort, wo das Nichs schon deutliche Formen angenommen hat und entsprechend ruhig geht es an der Haltstelle zu. Obwohl diese direkt vor der Haustür eines Restaurants liegt. Aber Eschbach, kurz vor Sonnenschein, liegt fast schon in Haan – und das ist ja mal ganz, ganz fernes Ausland, unter uns gesagt. Aber ganz weites. Es sei denn, die Haaner haben Kirmes oder man geht Möbel kaufen. Aber ansonsten: Haan-Lofoten-Grönland, alles auf direkter Linie.
|
. |
|
|
|