Totterblotschen (12)

Alles anders. Alles neu. Menschen mit Resten im Körper, Resten von Sprachgefühl, sagen manchmal, das einzige, was sich in Solingen ändern müsste, wäre die Einstellung der Solinger, dass sich nichts ändern soll. Nun, in einer Stadt, die einst davon lebte, dass sie das, was sie immer schon tat (im weitesten Sinne Schneiden schmieden und schleifen) immer wieder neu erfunden hat, muss es auch heute noch zulässig, möglich und oft anzutreffen sein, das man das, was man immer schon tat, in neuer Form tut. Nämlich zu improvisieren. Das Zufällig Erreichte als das im Nachhinein gesehen Gewollte deklarieren und jeden Fortschritt so lange zu leugnen, bis man ihn selbst initiiert. So geht es der Stadt, der Politik, dem alten Bahnhof und überhaupt dem Leben in dieser wunderschönen Stadt, die so viele Facetten hat, dass sich kaum eine (andere) Internet-Domain traut, sie zu zeigen .... *schmunzel*. Einige Internet-Gucklöcher allerdings sind durchaus guckenswert.

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Ein echter Hingucker ist er geworden, der alte Hauptbahnhof mit seiner markanten Halle, in der nun das Zentrum für Produktdesign untergebracht ist. Und wie sich das für heutige junge Designer gehört, mit einer eigenen Internet-Domain sind sie natürlich (noch) nicht im Netz vertreten. Nun ja, der Bahnhof hat auch Jahrzehnte brachgelegen, warum nicht auch diese Homepage-Baustelle .. ?? !! Schließlich ist der Bahnhof wieder ganz 50er Jahre, und da gab es eben noch kein Internet.

Fotos (4): Kerstin Ehmke-Putsch


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Fachwerkstil vom Feinsten, wo erst der grüne Zoll und dann eine islamische Behelfsmoschee untergebracht waren, herrscht nun die Kunst in üppiger Form. Die alten Güterhallen wurden zu einem Domizil für Künstler und als solche zu einem Gesamtkunstwerk um-, neu- und wiederaufgebaut.

Dieses Gitterwerk, "geklaut" bei der typischen Fachwerkarchitektur, beherbergt das Plagiarius-Museum. Eins, das Design-Klau zeigt. Produkte, die von Produktpiraten ganz einfach ohne jegliche Lizenz und Legitimation nachgemacht werden. Und dann zu nicht nur extrem geringeren Preisen auf den Markt geworfen werden, sondern auch in aller Regel von extrem schlechterer Qualität sind. Insofern bleibt abzuwarten, wann das Solinger Plagiarius-Museum plagiiert und woanders zu günstigeren Eintrittspreisen und mit billigeren Exponaten eröffnet wird .... !!!!!!!
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Kirchenhalle, Güterkirche oder Ghosttown? Von allem etwas, die gut 300 Meter entfernte Lutherkirche lugt über das Dach der neu wiederaufgebauten alten Güterhalle hervor, links im Bild das Ex-Bahnhofsgebäude. Lichtstimmung in einem Areal, das als Wiederbelebung der Südstadt gefeiert wird, in dem aber zu manchen Zeiten eben nur die Gespenster um die Ecken fliegen, weil weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist.




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Fast ein wenig toskanischen Charme vermittelt das terracotta-rot des renovierten Baus. Leidglich die technophilen Trägerbalken erinnern an die einstige zweckdienliche Hässlichkeit der Halle. Ein paar ganz gewöhnliche Straßenlaternen lassen dank Langzeitbelichtung die soeben angepflanzten Bäume fast wie einen Kunstpark erstrahlen und der Schornstein von Henckels Zwillingswerk grüßt dezent aus dem Hintergrund und erinnert daran, dass hier eigentlich Gewerbe- und Industrie-Areal ist, wo nun museale Feierlichkeit eingezogen ist.


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Einst, lang, lang ist's her, war die Welt nicht nur morgens um 7 noch in Ordnung. Die Welt war überschaubar und alles hatte seine feste Regel. Was spätere Generationen als Horror ansahen und daher mit Vorliebe ein Chaos anrichteten, das wir immer noch "modernes Leben" nennen. Jedenfalls war es eine Zeit, in der Vatter ennet Dengen jonn – in den Kotten ging, um zu arbeiten ....

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... derweil das hoffnungsfrohe Töchterlein unter Einsatz von Rohrstock und 100 x "Ich will ein braves Kind sein" schreiben an den Ernst des Lebens herangeführt wurde.

Hier erinnert sich die Ursolingerin Inge Wagner, die damals mit Mädchennamen Ehles hieß, an ihre Schulzeit im altehrwürdigen Gebäude am Bökerhof (wahrscheinlich haben die Klassen soviele Backpfeifen erlebt wie das Haus Ziegel hat).

Das Bild entstand 1933 und zeigt die damalige 4. Klasse mit Lehrer Keuth.

Haben Sie auch noch solche Klassen- und Schulfotos? Wenn Sie mögen, senden Sie mir einen Scan zu (oder das Bild; es wird garantiert schnell zurückgesandt), der dann hier veröffentlicht wird. Vielleicht "treffen" sich auf diese Art und Weise alte Solinger im Internet wieder.
Email:
wenke@solingen-internet.de

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Noch so ein Stück Nostalgie und Sittenhaftigkeit: Hier im Cafe Hölscher in Wald hat sich so manches Liebes- und Lebensglück angebahnt, bei Kaffee und Kuchen oder den berühmten Tanz-Tees. Da sagten Herren noch "Darf ich bitten" und Damen erröteten. Heute sagen Frauen "Nun mach schon" und Männer sind immer blau – sagt jedenfalls Volkes Vorurteil. Ob's stimmt, weiß ich nicht. Seit Café Hölschers und Jugent-tanzt-Zeiten war nicht nicht mehr zum Schwoof ... !

Das Café existiert noch. Ist aber leicht umgebaut … ;-)


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