Totterblotschen (14)

Fest verwurzelt. Wird aus einem Saulus ein Paulus. In der Bibel vielleicht. Im richtigen Leben – eher kaum. Und so darf man nicht annehmen, wegen der Welt- und Weitläufigkeit der industriellen Produkte und kommerziellen Beziehungen wäre das Solingerische eine progressive, gar wagemutige Mentalität. Selbst da, wo es Furore macht in der Revolution, im Sozialen nämlich, wird es geprägt durch Konservatismus: Es ändere sich vieles, damit möglichst alles so bliebe, wie es immer schon sein sollte. Nun kann man aber andererseits Solingen absolut nichts tiefgründig Gestriges nachhängen, schon gar nichts schwülstig-Germanisches. Es sei denn, man ließe die Romantiker zu Wort kommen, die aus jedem Etwas gleich ein philosophisches Prinzip fundamentaler Natur als Basis der Grundlage machen ... *grins*

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Man kennt Russisch Brot, Berliner Brot, Paderborner , Odenwälder oder Französisches Landbrot. Aber was zählt das alles schon gegen das wirklich wahre Wunderbrot, das Solinger Schnittbrot von Brota. Ob Beyz Ekmek (was türkisch ist und schlichtweg Weißbrot heißt) oder Italiener Brot (wieso, ich denke, Italiener verarbeitet man zu Pasta), Hauptsache geschnitten. Weil: in Solingen kennt man ja keine Messer, da muss man sich geschnitten Brot kaufen *dummgrins*. Aber dennoch sind wir der Backstube dankbar, Solingen als Mittelpunkt Europas darzustellen. So ist es richtig, das schmeckt uns !


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Was sind schon Berlin, London, Paris, Rom, Madrid, Warschau – nichs mehr als kleine Punkte auf der Landkarte. Was zählt, ist einzig Solingen. Jawohl. Da können Sie sich mal 'ne Schnitte von abschneiden.

Doch auch in landwirtschaftlicher Hinsicht setzt die Klingenstadt Maßstäbe. Mit Gemüsesorten, die zu den besten zählen, die die Würmer im Boden oder Sturm und Hagelschlag auf den Halmen übrig lassen. Auch wenn sie so schön farbig sind, sie heißen nicht Buntmähren sondern Bund-Möhren, was aber nicht auf eine Sorte namens Bund, sondern darauf hinweist, dass man sie gebündelt bekommt. Wie dem auch sei, sie knacken und schmecken köstlich. Das kann ich als altes Karnickel nur bestätigen. Mampf.


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Sprechen Sie mir das jetzt bloß nicht falsch aus ! Von wegen: "Zu-ckini". Nix da. Es heisst in Solingen ausschließlich: "Zu-tschini". Mit deutlich betontem "tsch". Auch diese Zuttschini gibt es als Solinger-deutsche Zuchtart, lateinischer Name cucurbita pepo solingeniensis. Sie können auch "Grüner Kürbis" dazu sagen, es wäre botanisch absolut korrekt. Das italienische Wort Zucchini ist die Verkleinerungsform von Zucca, der Kürbis. Zucchini enthalten übrigens zu 93 Prozent Wasser. Rechnen wir nach und vor: Sind eine Sprudelwasserflasche Wasser für anteilig 70 Cent, ein Liter also rund 1 Euro. Wer sagt denn, Solinger seien nicht großzügig mit Geldausgeben .... ?? !!


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Da versüßt man sich das Leben doch lieber mit echt Soliner Zuckermais, botanisch Zea Mays convar. sacckarata. Wussten Sie, dass es genau diese Körner sind, die man geröstet und aufgesprungen so gerne geräuschvoll als Popcorn im Kino verzehrt?.


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Sprechen Sie runisch? Oder fachwerkisch?

Runen sind die Schriftzeichen der Germanen. Sie werden mit mystischen Kräften in Verbindung gebracht. So eine Art Bergischer Voodoo kann man auf Schritt und Tritt beobachten – und keiner weiß davon ! Oder hätten Sie gedacht, dass die Balken der Fachwerkhäuser (angeblich) gar nicht so zufällig sind, wie es oft den Eindruck hat und sie (verklärter mythologischer Idealistik nach) keineswegs nur Zier- und zimmermännische Funktion oder Bedeutung haben. Nein, sie sind geheime Botschaften ! (Grusel, grusel ∞-)
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.Was uns die Balken sagen wollen:

Runen sind die ältesten Schriftzeichen der Germanen. Sie waren vor allem zwischen dem 2. und dem 12. Jahrhundert für geritzte und gravierte Inschriften auf Gegenständen und auf Steindenkmälern in Gebrauch. Ihre Verbreitung zeigt von Anfang an einen deutlichen Schwerpunkt in Süd-Skandinavien (einschließlich Jütlands). In allen anderen Siedlungsräumen germanisch-sprachiger Völker ist nur eine dünne Streuüberlieferung zu finden, die außerdem mit dem jeweiligen Einzug des Christentums zu ihrem Ende kommt.

Aus Wikipedia

Was wollen uns diese Häuser sagen?
Ja, eben, Sie denken, Bergisch denken sei so einfach ?!
Nein, ist es nicht. Der Bergische, vor allem so er und sie aus Solingen sind, legt doch seine Gedanken nicht gleich offen. Ganz im Gegenteil. Er hat einen Balken davor. Sorry, "dafür" natürlich. Und nicht nur einen. Dickbrettbohrer wie die Solinger sprechen eben auch eine Dickbalkensprache. Fachwerk-runisch genannt.


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Und nun können Sie ja frei übersetzen, was uns dieser Bergische Giebel sagen will.


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Texte/Bilder oben: aus Lied und Heimat, Monatsblatt der Solinger Sänger, 1925
Fachwerkhaus-Fotos: hgw

Aha, Rechtschaffenheit über'm Oberstübchen.


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Ich glaube, das ist gar keine Symbolik, sondern ein Lottozettel.


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Die Filiale der Stadtsparkasse in Burg. Steht für Stärke. Marketing-gerecht.


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Dieses Ding strotzt ja nur so vor Selbstbewusstsein. Hammerhart.


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Was sagen Sie hierzu?


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In der derben Sprache der englischen Non-Upper-Class würde man über eine peinliche Verwechslung bei der dpa, Deutschen Presse-Agentur nur müde fragen können:

Who's the fuck is Solingen?

Dabei ist die Geschichte an sich schon kurios genug und spielt in der Solinger Clemensgallerie ...

ST vom 19. Juli 2007

Man lernt manches aus dieser Geschichte. Zum Beispiel, dass drei Polizeiautos, also 6 Polizisten, ein Großeinsatz sind. Für Solinger Verhältnisse wahrscheinlich schon. Und man lernt, dass nachts um halb zwei tatsächlich noch Menschen in der Innenstadt unterwegs sind. Soviel Nachtleben traut man üblicherweise dieser Stadt gar nicht zu. Und drittens ist nun öffentlich bekannt, wo Gastronomen nachts mit Geld anzutreffen sind. Ein wirklich geschickter Schachzug, um auf diesen für die Betroffenen äußerst misslichen Umstand der Gefährdung hinzuweisen ....
Es ist ja so einfach, ein guter Journalist zu sein ! Man muss einfach nur nicht nachdenken.


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Doch immerhin, das Solinger Tageblatt ist voll informiert. Die Solinger Morgenpost dagegen keineswegs. Sie sitzt gleich doppelt einer schlampigen Nachlässigkeit der Presseagentur auf, die den Vorfall flugs nach Wuppertal verlegt.

Was Öl ins Feuer gegossen ist und der heftigen emotionalen Diskussion, ob eine Ver- und Zusammenlegung von Dienststellen in und nach Wuppertal nicht das Ende der Solinger Selbständigkeit ist? Ja, ist es, denn logischerweise hat das Polizeipräsidium in Wuppertal die Meldung weitergegen. In dessen Zuständigkeit fällt auch ganz Solingen, deren Polizeit-"Leitstand" eben in die ungeliebte Bergische Hauptstadt verlegt wurde. Mit dem Ergebnis, dass Solingen nicht mehr wahrgenommen wird – eben: who's the fuck is Solingen?
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Die Solinger Morgenpost meldet in ihrer Ausgabe zweimal den falschen Ort. Und zwar einmal in der Rubrik "Land und Leute" (A3) und zum anderen unter "Bergisch Land" (C8).

Da wie üblich solche getrennten Ressorts auch von unterschiedlichen Redakteuren bearbeitet werden, kann man nachvollziehen, wie Meinung gemacht und objektive Meldungen nach Gutdünken aufgemotzt werden. "Plüschtier wirkte wie maskierter Gangster" wirkt zwar dröge, ist aber vorbildlicher sachlicher Tageszeitungs-Journalismus. Dagegen kann die reißerische Headline "...hält die Polizei in Atem" ja wohl kaum mit dem tatsächlichen Geschehen mithalten. Die Grenze zwischen Schund- und gutem Journalismus ist eben eng und fließend.

Solinger Morgenpost 19.7.07

Und so nimmt es nicht wunder, wenn auch Spiegel Online einmal völlig neben der Spur liegt. Oder sollte die Polizei, Dein Freund und Helfer, etwas selbst unter die Betrüger gegangen sein und wissentlich falsche Informationen verbreiten. Denn wenn – so ist es wörtlich zu lesen – der Polizeisprecher sagt, die Frau sei aus einem Wuppertaler Parkhaus gefahren, dann ist das ja falsch. Verdrehte nun die Polizei die Wahrheit oder die Presseagentur?

Im übrigen, und das finde ich gut, wurde die Frau von der Polizei ausdrücklich gelobt. Lieber einmal zu viel ausrücken, als dass (wieder einmal) niemand etwas gesehen haben will.

Also liebe Leute, bei der nächsten Kirmes gleich das BKA, die Bundeswehr und die amerikanischen GIs anfordern. Denn ich habe letztens auf dem Rummelplatz eine Losbude gesehen, da standen hunderte von Riesenplüschtieren drin ... das deutet auf einen riesigen Coup hin. (Aber seien wir ehrlich, die Amerikaner würden genau wegen so etwas den Luftraum über dem halben Land sperren, entnervt wie sie zur Zeit sind.)


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Nein, Leute, das ist ein Solinger Biber.
Da bestehe ich aber drauf !!!!

Nicht, dass Sie denken, das ganze sei nur ein Werbe-Gag. In der Solinger Clemensgallerie gibt es die Biber-Apotheke. Und die hat jetzt gut lachen ... wenn sie nicht rein nachrichtenmäßig nach Wuppertal verlegt worden wäre ....

Screenshots www.biber-apo-solingen.de


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Rein zufällig bin ich rein krankenkassenmäßig in dieser Apotheke "Vertragskunde" oder wie das jetzt heißt. Aber nicht mehr lange. Denn ohne diesen Zwischenfall hätte ich ja nie auf deren Internetseiten geschaut. Doch jetzt muss ich entsetzt feststellen, dass ich als König Kunde da noch gar nicht vorkomme .... Nee, Versuchsbiber will ich wirklich nicht sein. Da fröstelt es mich. Bibber-bibber.

Jetzt irritiert mich aber sehr, dass ich nicht auf hohem Niveau empfangen werden kann (also auf tiefem, oder wie oder wo)! Und Interesse daran habe ich wirklich keins.
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Jetzt weiß ich auch, warum die deutschen Dichter der Romantik-Epoche immer vom "süßen Tod" geredet haben. Frei nach dem Motto: "Sarensemal, Frau Schmitz, watt dot Ihr dann hütt? Sidder in de Moute to sterven? Dann drenkt doch en Köppken Koffie met!"

Kaffee mit Todesfolge wird gerne mal immer wieder von einem großen Solinger Kino angeboten. Schade, dass man den Sarg wohl extra bezahlen muss.

Und für alle Deutschlehrer: Ja, in diesem fall wird "stirbt" klein geschrieben. Und Kaffee-Klatsch Kaffeeklatsch.


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Dass die Gummibären auch in Solingen gekocht werden, hat sich (noch nicht?) herumgesprochen. Dass Haribo seinen Werbeslogan ändern will, liegt auf der Hand:
Haribo macht Kinder froh,
und die Rocker ebenso.

Come on, Haribo, rock'n shake me !

Gut, dass man da zur Erleuchtung eine Birne vor der Birne hat.

Foto: hgw; gesehen bei Kölner Lichter 2007 direktemang nevvem d'r Dom