Totterblotschen (17)

Von der Fähigkeit zur Unfähigkeit. Solinger – also, von Gemüte Solinger – zu sein, ist gar nicht so einfach. Man braucht nämlich ein widersprüchliches. Einen Januskopf im Hirn, gewissermaßen. Einerseits ist es mental-korrekt, geduldig, lammfromm, widerspruchslos alles zu ertragen, was einem an Zumutungen zugemutet wird, keinem Widerspruch zu widersprechen und froh zu sein, dass man es nicht sein kann. Andererseits sind Zoff und Zorn, Häme und Härte, Gier und Giftigkeit, Kritikastelei und Kabbelei ebenso "angesagt", sprich mental korrekt. Und so darf es einen nicht wundern, wenn sich ein waschechter Solinger über nichts (mehr) wundert.


Januskopf, Gemälde von Carlfritz Nicolay

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. Willkommen in der Absurdität .

Am 18. resp. 19. Oktober 2007 war es denn endlich so weit: morgens das Bolls Blättchen aufgeschlagen, sprang einem der enorme Mankobetrag und die daraus resultierende faktische Pleite der Stadt sofort ins Auge.

Was täten Sie, wenn Sie Kommunalpolitiker – also unfähig, gemäß deren eigenem Eingeständnis, zu Aktionen aus freiem politischen Willen – wären? Nun, als erstes, sie zeigten sich a) überrascht, b) entsetzt und c) besorgt (die Reihenfolge ist änderbar). Sie weisen mit Nach-, Ein- und Ausdruck der Verantwortung auf die Situation als solche hin, an deren Zustandekommen vor allem – ja, Sie selbst beteiligt waren. Denn wer, wenn nicht summa summarum "die Politiker", wer, wenn nicht die sich angeblich auf dem Boden des Grundgesetzes (in dem übrigens steht: Eigentum verpflichtet, auch städtisches und erst recht Bürger-Eigentum) bewegenden Parteien sind denn schuld daran, wenn es Gesetze, Verordnungen, Situationen gibt, die einer Stadt monetär die Luft rauben? Und zwar inmitten einer blühenden gesamtstaatlichen Konjunktur !!!

Wer eine Investition macht, muss wissen, was das bedeutet. Im Management-Jargon heisst das Risk-Management (was die Chancen wie die Gefahren gleichmaßen umfasst). Haben das (Lokal-)Politiker je systematisch durchgeführt? Ich kann mich nicht daran erinnern. Lokale Parteigrößen haben meist – dessen rühmen sie sich jedenfalls – Einfluss auf ihre jeweiligen Parteistrukturen "weiter oben", im Land, im Bund. Wenn nun aber diese Instanzen schuld daran sein sollen, dass die Kommunen handlungsunfähig werden oder sind, so heisst dies auch nach aller gängigen Logik, dass die Parteien, die nun jammern, aller lokalen Gestaltungsmöglichkeiten beraubt zu sein, selbst dafür gesorgt haben, dass es so miserabel ist. Wenn auch "von oben her" und nicht "an der Basis". Aber eben diese Parteibasis war und ist eine schweigende. Auch Schweigen und Nichtstun können schuldig machen. Auch eine lokale Parteiorganisation kann wegen "unterlassener Hilfeleistung" am Gesamtkörper Staat angeklagt werden – müssen !!! Denn wenn man wie die "Volksparteien" bei jeder Gelegenheit den Anspruch hervorkehrt, besser zu sein als all die Protestgruppen und -parteien, dass man sich wirklich "um die kleinen Leute" kümmert, dann darf man nicht über die Jahre und alle Instanzen hinweg eine Politik betreiben, die dies unmöglich macht. Aber was rede ich – gibt es denn noch einen, einen einzigen im Lande, der noch die Hoffnung hat, die etablierten Parteien könnten es schaffen, sich selbst zu wenden?

Die Stadt hat nun, im wörtlichen Sinne, für uns Bürger "nichts mehr übrig". Keinen Euro mehr; Subventionen und öffentliches Leben werden zusammengestrichen, bis kaum noch etwas bleibt. Wie kann man da erwarten, dass wir als Bürger für diese Art von Politik noch etwas übrig haben würden?
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Nur mal so als Vergleich: Wegen 300 KiloEuro verdünnen die Stadtwerke den Fahrplan auf einen Zustand zwischen Lächerlichkeit und bodenloser Frechheit. Die Stadt schliddert erneut in über 50 MioEuro Schulden für den Etat 2008. 300.000 zu 56 Millionen sind ...

... ja, richtig, 0,5 %. Und davon, vom per Fahrplan eingesparten, sanieren wir nun den städtischen Haushalt. Alles klaro?

Wir lachen, wenn man mit einem Eimer versucht, einen leckgeschlagenen Ozeanriesen auszuschöpfen. Lasst uns auch über die Politik lachen. Es ist eh das einzige, was uns noch bleibt.

Übrigens: 56,4 Mio Neuschulden, das sind pro statistischem Einwohner exakt 345,53 Euro. Mal 'ne Frage: sollen wir das nicht spenden?
Weil: dann könnten Rat und Verwaltung erneut von Null beginnend Millionenverluste planen und hätten wieder Freude an ihrem Tun.
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Der Solinger SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtradt, Ernst Lauterjung, sagte in einem Solinger Morgenpost-Interview (rp-online) am 31. 7. 07, also vor kurzem:

"Wir wollen die Menschen zurückholen. Und dazu bedarf es nun einmal offener Gespräche. Ich gebe zu: Einfach ist ein solches Unterfangen nicht. Aber ich vertraue schon darauf, dass wir am Ende mit Argumenten überzeugen können ... Es geht darum, die Zukunft zu gestalten. Immer nur nein sagen – das bringt auf Dauer nichts."

Danke, Ernst Lauterjung. Lange schon nicht mehr so gelacht.
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Ich empfehle für solche Fälle wie die Äußerung des örtlichen Bürdenträgers den "Orden der drei Weißichnichtheiten": Ech senn on hüör nix, on ech sach ouch liewer nix. Ewwer wenn ech jett schwadronier, dann drehn se mer ja doch wier et Wuordt em Mull öm.

Dementi: nein, das Foto wurde nicht im Stadtrat aufgenommen. Nein, es zeigt keine lebenden, bekannten Personen. Nein, es symbolisiert keinen Politiker. Ja, es ist nur so eine Idee, wie man sich die Öffentlichen Hände vorzustellen hat ...

Wie verzweifelt die Stadt Solingen in ihrer Finanznot ist und auf welche völlig besoffenen Ideen sie kommt, hat Solingen-Internet-Surfer Jürgen Evertz an der Gaststätte Wupperhof gefunden. Hier, an der Grenzlinie zwischen Solingen und dem Höhendorf Witzhelden sollen die ersten Bier-o-tessen gesichtet worden sein. Ehemalige Politessen, denen der ruhende Verkehr samt seinen Knöllchen zu langweilig war und die sich sich auf taumelnde Verkehrsteilnehmer spezialisiert haben. Um den gesetzlichen Auflagen nachzukommen, hat das Gesundheitsamt an der Prüfstelle einen Warnhinweis auf die sozio-ökonomischen Folgen des hemmungslosen Biergenusses anbringen lassen. Aber mal ehrlich gefragt: kann man die heutige Situation überhaupt noch nüchtern betrachen ??? !!!


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Bier-ernst

Sie denken, Biersteuer sei ein Witz? O, Sie kennen aber unseren geldgeilen Staat schlecht. Ob Salz oder Zündhölzer, Benzin oder bis 1993 Leuchtmittel (Glühbirnen, ja, wirklich!), und eben Bier: auf alles und jedes erhebt der Staat Zoll und Steuern. Und früher eben auch die Städte, die in der Tat an ihren Grenzen Kontrollen durchführten. Was uns zur logischen Erkenntnis bringt: wer seinen Staat unterstützen will, der wird zum Alkoholiker. Besser kann man der Obrigkeit nicht dienen. Zumal sie dann mit einem machen kann, was sie will.



Herbst '07, der ab sofort auch ein Winter ist

Zum obigen traurigen Thema passt doch, dass heute am 20. Oktober mit Frost der Herbst Einzug gehalten hat. Da schauen selbst die fröhlichen Wupperwälder ganz traurig drein. Schon lange vor dem gemütstötenden November und der kraftraubenden Winterkälte.


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"Hai" sagt der Solinger und meint Nebel. Der legt sich in dicken Wattewolken über Sturmsloch und die Wupper bei Papiermühle.


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Die frühen Sonnenstrahlen bringen das letzte welke Laub zum Glühen.


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Stimmungsvoll, aber arschkalt.


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Das erste Eis an den letzten Blumen.


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Auch der Fleiß des Lieschens hilft nun nicht mehr – es wird vergehen, was des Sommers ist und der wohligen Wärme bedarf.


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Morgentau auf Rosenblättern.


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