Totterblotschen (2)

Was hat Solingen, was andere Städte nicht haben? Mindestens mal das: viel Kurioses, Wichtiges, Erstaunliches, vielleicht sogar Sensationelles – im Unbekannten. Solingen ist eine geradezu einzigartige Mischung aus weltoffener Handelsstadt und der Fähigkeit, daraus nichts oder wenig zu "machen" – jedenfalls, was Werbung, Service, PR und ähnliches angeht. Neuerdings werden große Anstrengungen unternommen, dies zu ändern. Ein ganz privater Beitrag dazu ist übrigens diese Domain. Unbeauftragt, unbeaufsichtigt und daher unbequem unausgewogen.

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1954. Der zweite Weltkrieg ist 9 Jahre vorbei, in der Schweiz ereignet sich "das Wunder von Bern": Deutschland wird Weltmeister. In Solingen findet in diesem Jahr eine legendäre, in Fachkreisen kaum vergessene Weltmeisterschaft statt, die der Straßenradfahrer. Nicht vergessen, weil sie zu einer "Regenschlacht" wurde und dramatische Ergebnisse brachte. Nie zuvor und nie später hat eine spektakuläreres sportliches Ereignis in Solingen stattgefunden. Wenn man mal davon absieht, dass der heute eher niedrigklassige Fußballclub SG Union Solingen (Ohligs) mal für eine Woche lang an der Spitze der 2. Bundesliga stand.

Der "Tour des Solingen"-Bericht zeigt, wie auch schon in den 1950er Jahren Boulevard-Journalismus beliebt war.

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Das Dilemma des Dopings führt hoffentlich nicht dazu, dass Radfahren als Leistungssport über die Wupper geht. Die privaten und vergnüglichen Aspekte dieses Frischluft-Hobbies werden auch in Solingen begeistert zelebriert und dokumentiert. Andre Frings ist solch ein Allwetter-Fahrer, dem sicherlich auch die WM-Regenschlachten vor mehr als 50 Jahren Spaß gemacht hätten.



"Quäl Dich, Du Schwein", soll in kameradschaftlicher Freundschaft ein T-Mobil-Kollege einst Ex-Tour-de-France-Star Jan Ullrich zugerufen haben, als den die Kraft an einem Berg verlassen wollte. Hier in Solingen müssen damals ähnliche Verhältnisse geherrscht haben.

Was nur eines beweist: der Solinger, insbesondere in seiner Vorkommensform als ganz normaler Radfahrer, muss ein Held sein. Denn man hat ja die Bergstrecken nicht extra für die Rad-WM angehäufelt, die waren immer schon da und sind es immer noch. Also haben wir Solinger das Stahl-Gen in den Waden, welches uns hart und erbarmungslos jeden Berg radfahrerisch erklimmen lässt. Leider ist dies in der Weltsportgeschichte noch nicht ausreichend gewürdigt ....
(... aber ich weiß noch bis heute, wie schön Solinger Bergstrecken sind, wenn man sie mit einem "Hollandrad" bezwingen muss – ohne Gangschaltung, und unkaputtbares, schwere Eisenrohr als Radgestell).

Solingen hätte beinahe um seinen guten Ruf als Stadt der Solidität bangen müssen, wäre die Tribüne an Start/Ziel eingestürzt, die noch so leidlich von eilig errichteten Stützpfosten gehalten wurde.

Louison Bobet (* 12. März 1925 in Saint-Méen-le-Grand; † 13. März 1983 in Biarritz) war ein französischer Radrennfahrer. Als erster Fahrer konnte Bobet die Tour de France dreimal in Folge gewinnen.
Louison Bobet war ein exzellenter Klassikerfahrer und gewann fast alle wichtigen Eintagesrennen, so Mailand-San Remo (1951), die Lombardei-Rundfahrt (1951), die Flandern-Rundfahrt (1955) und Paris-Roubaix (1956).
1950 hatte Bobet den Bergpreis und dritten Gesamtrang der Tour de France erzielt. Aber erst 1953 gewann er erstmals die Gesamtwertung der Tour und beendete damit die Dominanz italienischer (Gino Bartali, Fausto Coppi) und schweizerischer (Hugo Koblet, Ferdi Kübler) Rennfahrer beim berühmtesten Etappenrennen der Welt. Bobet wiederholte den Toursieg in den darauf folgenden Jahren 1954 und 1955.
1954 wurde Bobet Profi-Weltmeister bei der Straßenrad-WM im deutschen Solingen.

aus: Wikipedia

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Mitten in der Stadt, unmittelbar neben der (katholischen, wie es sich gehört) Kirche stand eines der berühmtesten Solinger Restaurants, in dem zu seiner so ziemlich der Mittelpunkt Solinger (turbulenter) politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen lag. Hier versammelte sich von der roten Prominenz bis zur erzkonservativ bürgerlichen "feinen Gesellschaft" alles. Ein wenig Hofbräuhaus-Athmosphäre mitten in Alt-Solingen, dieser Bayrische Hof (im Bombenangriff 1944 weitgehend zerstört).

Die Vergrößerung zeigt die ganze Pracht der Theke mit diesem herrlichen Monstrum von Kasse – mit Handkurbel !

Verlag Max Biegel, Elberfeld

Poststempel 15. Aug. 1927

Die Postkarte lief von Solingen nach Ohligs – damals noch eine auswärtige Stadt. An Fräulein Gisela Hartberg, auf Besuch bei Rob. Hammerstein. Ob man heute die Email-Adresse nicht kennt oder damals nicht die Besuchadresse, die Texte haben sich nicht geändert: "Jetzt, wo ich Deine Adresse wieder kenne, kann ich Dir auch wieder schreiben. Wie glücklich wäre die ,treulose Tomate' gewesen, wenn sie hätte erfahren können, ob ihre Karte Dich erreicht hat. Ich offer es aber trotzdem diese Woche zu erfahren. Und da hate ich mich soauf den Sonntag am Rhein gefreut!"

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Adrian & Stock war – um und ab 1919 – ein sehr berühmter Hersteller bedruckter Blechspielzeuge. Eines davon war ein so genanntes Engelsgeläut, eine Variante der (thüringer) Weihnachtspyramiden. Angetrieben durch den warmen Luftstrom der Kerzen dreht sich eine Karussel mit angehängten Blechengeln, die kleine Glöchen anstießen. Reste dieser einst so begeherten Geschenkartikel findet man heute noch in Auktionen; Blechspielzeug hat viele begeisterte Sammler. 2002 erschien im Borch-Druck Verlag, Hilden, ein Buch von Hans Schulte-Kellinghaus über die Geschichte und Spielzeuge der Firma Stock.

Rehfeld & Backe, Solingen, bemühten sich auch um die Weihnachtsfreude der Kinder und boten Knusperhäuschen an, für "billig Geld!", wie die Werbung ausdrücklich betont. Und damit konnte man dann nie dagewesenen Jubel und Freude auslösen und ein langgehegter Herzenswunsch der lieben Kinderwelt ging in Erfüllung. Herz, Schmerz, Rührung – Tränen: Nostalgie zum Mitseufzen !