Totterblotschen (31)

Schön schön schon. Glanz und Elend liegen bekanntlich dicht beieinander. Vor allem in Solingen. Da gibt es die herrlichsten Winkel und Ausblicke. Und gleich drauf Szenen des Grauens. Man könnte auch sagen, hier trifft die pralle Wirklichkeit hart aufeinander. Des Fotografen Geschick und Glück zugleich ist, das eine wie das andere expressis pixelium digitalis einfangen und ausdrücken zu können. Was vor allem Kerstin Ehmke-Pusch immer wieder grandios bis geisterhaft grausam gelingt.

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Die Luki. Die Lutherkirche. Von Ost nach West geschaut, mit dem markanten Turm als Silhouette am Horizont, ergeben sich bei kitschig-roten Sonnenuntergängen Momente unwirklicher Lichtästhetik. Vor allem, seit man wieder so reich ist, sie effektvoll anstrahlen zu können. Sie ist ein über hundertjähriges Kleinod. Ob sie schön ist, ist eine andere Frage. Dass sie Charakter hat, dagegen unbestritten.

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Zwei Ansichten des gleichen Objekts. Einmal für die Postkarten-Hochformat-, zum anderen für die "Landscape"-, Breitformat-Fraktion. Damit kein Streit aufkommt, was denn nun das "richtige" Format sei. Fotografen können ja untereinander noch fanatischer "nachkarten" als streitsüchtige Skatspieler. Siehe Foto-Community, die Diskussionsplattform für lichtbildnerische Neidhammel.


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Waschen Sie mit Persil? Von ganz links im Bild, am roten Licht mit den Schornsteinen, da kommt's her. Die Henckel-Werke in Düsseldorf-Benrath/Reisholz.

In die Rheinebene hinunter geschaut, ganz markant an der Weeger Kirche (die an der sinnig so benannten Glockenstraße liegt) vorbei geht der Blick rund 150 Höhenmeter hinab, dort wo sich über Jahrmillionen Geröll, Sand, Schlamm und Schlick zu einer platten Ebene aufgestaut haben, die im übrigen einige Jahrmillionen zuvor Teil der Nordsee war, von Wasser überflutet. Solingen wäre damals Hafenstadt gewesen, völlig ernsthaft. Erderwärmung sei Dank, sind wir es in wenigen Jahrunderten möglicherweise auch wieder ...
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Kerstin Ehmke-Putsch

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Ostalgie, Idülle & Mondschinns Karl

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten. Sagte einst Staatslügner Walter Ülbricht. Nun, in Solingen hat auch niemand diese Absicht. Aber da ist sie. An der herrlichen Korkenziehertrasse, im Abschnitt zwischen Wald und Gräfrath. Wem es nach Ostalgie zumute ist, nun hier findet er sie, jene Schmuddeligkeit, die zuweilen von verschrobenen Gehirnen auch als Genügsamkeit interpretiert wird.
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Nein, das ist nicht Sibirien. Nein, das sind nicht die Slums von Rio. Nein, das ist nicht ein Palästinensergebiet. Ja, es ist Solingen. Und zwar direkt an der "Naherholungs-Trasse" der ehemaligen Korkenzieher-Eisenbahn (so benannt nach der gewundenen Streckenführung). Es ist jene Trasse, von der der Oberbürgermeister Haug sagt, die Bürger mögen sich doch nicht in die Hose pinkeln, nur weil die Stadt zu arm ist, öffentliche WCs zu unterhalten. Rechts und links seien, sagte er, Möglichkeiten zur Genüge, die Notdurft abzuschlagen. Ich frage mich, ihn und sie: meinte er so etwas?
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Vielleicht sollte man noch hinzusetzen, die Aufnahmen entstanden 2008 – und nicht nach dem letzten Bombenangriff.

Ein Testgelände für Klaustrophobiker, Mountainbiker und Immernochzufußgeher. Gebaut nach den Originalplänen der Krötenwanderungstunnel für Krötenzusammenhaltwanderer. Ich möchte noch erwähnen, dass ich neulich im Hamburger Containerhafen war. Da sah es auch nicht anders aus. Nur dass die Rattenlöcher unter dem Wasserspiegel lagen. Apropos Wasser lassen, meinten Sie dies als Klo, Herr Haug?

Aber dennoch muss man für diesen Tunnel "Danke" sagen, denn immerhin wurde er aufgrund einer persönlichen Initiative und deutlichen Spende eines Firmeneigentümers gebaut und damit die Durchgängigkeit der Strecke ermöglicht. Sie sehen, man kann mit Fug und Recht behaupten, auch in Solingen fließe Geld in dunkle Kanäle ... !!!


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In die Röhre schauen, ja, das darf man in Solingen zuweilen. Ein altes Sprichwort sagt, so wie Du ins Loch rein kommst, so geht's auch wieder raus ..., oder so ähnlich, oder auch nicht. Jedenfalls, wir sehen alle Licht am Ende des Tunnels, auch wenn wir dann sofort wieder vor eine Wand laufen.

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Kubistisch, futuristisch, neomodern oder posttraumatisch – ach, wer weiß schon, was welcher Epoche zuzurechnen ist, wenn Wellblech auf Beton, Glas auf Zaun und schönes Wetter auf schrottrobbende Fotografinnen trifft ...


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Endlich wird klar, was mit dem Begriff Wohncontainer gemeint ist. Solch herrlicher Anblick bietet sich auf der Naherholungs-Trasse. Kein Wunder, wenn man immer einen Korkenzieher dabei hat, um sich aus der Realität hinauszutrinken. Das Leben kann so schön sein. Man muss es ja nicht in Solingen verbringen. Triste Momente kann man auch woanders haben.

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Zuweilen gibt es aber auch romantische Momente in Solingen; schon alleine ihres Klanges wegen. Ist die Bezeichnung "Apfelbaum" für eine Hofschaft mit kleiner Straße nicht Poesie genug, um Gefühle von wilder Natur zu wecken. Nun ja. Dann lassen Sie diesen doch mal Raum zwischen den Plattenbauten. Und frisches Grün oder das leuchtende Rot eines Apfels sehen auch anders aus als der Rost eines uralten Schildes ...


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Ja, Weitblick. Man kann ihn mieten, ganz offensichtlich. Schade, dass so wenige davon Gebrauch machen.


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Nun bleibt es Ihnen, verehrte Surfer, überlassen, was uns die Fotografin mit diesem letzten Foto ihres Spazierganges sagen will. Solingen hinterm Mond? Nein, sicher nicht. In Solingen blicke man in den Mond oder suche den Mann im selbigen? Wahrscheinlich auch nicht. Der Mond ist aufgegangen als Stadthymne? Guter Mond, Du gehst so stille als Erkennungsmelodie? Vielleicht ist es ja ein kryptisch verschlüsselter Hinweis, man möge sich die Kugel geben oder kugelig lachen oder ab- und zunehmen, jemanden heimleuchten oder auch nur die Erinnerung daran, dass der Mann im Mond ganz einfach Mondschinns Karl heißt. Wir werden es nicht erfahren, wenn sie es uns nicht selbst sagt.


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