Totterblotschen (34)

«Wie es war – aber wann und wo?» Man erinnert sich noch geanz genau – meint man. Bei bloßem Nachfragen dann werden die Erinnerungen schon ein wenig wackelig – "... lass mal überlegen, dass muss ---- äh, um --- ich glaube, so, also in etwa 19xx gewesen sein, oder früher – oder doch später?. Un' et war in, na, sach schon, in, na, wie heisset denn nu, ach, ich wusstet doch imma –, nee, wat wird man alt." Genau, so war's wahr. Hier haben Sie jetzt die Möglichkeiten, Ihre Erinnerungen wieder aufzufrischen. Und gemeiner Weise lasse ich Sie auch raten, wann das alles war ...

.

O Obus, wo bist Du geblieben ???

OK, Deutschland sucht den Superstar. Interessiert uns nicht. Wir hier in Solingen suchen diesen Obus. Der einst als Wagen Nr. 60 durch die Klingenstadt brummte, kurvte und dümpelte. Und dann auf irgendeiner Wiese abgestellt wurde. ABER AUF WELCHER? Das ist die Frage, die man sich beim überaus rührigen Verein "Obus Museum Solingen e.V." stellt. Weiß jemand über den Verbleib dieses Obus-Wagens Bescheid? Anwort liebend gerne erwünscht.

Außerdem: weiß jemand über den Verbleib der Obus-Anhänger ("Raucherbomben") etwas? Jeder Hinweis nützt, andere Informationen besser aufzubereiten oder Zusammenhänge herzustellen.



.

Kaum war diese Frage veröffentlicht, kam auch schon eine Antwort: Dies sei die Wiese vor dem Haus 8 im Halfeshof, Solingen (LVR-Heim). Ein Leser konnte den Schornstein als der später abgerissenen Maschinenhauses zuordnen. Exakt über den Aufstellplatz des Obus-Wrack verliefen früher die Gleise der Straßenbahnlinie Müngsten-Krahenhöhe, über die man bei > Tetti oder > Wikipedia einiges findet.

Ausgeschlachtet, aber nicht brutal zerstört, so bietet sich auf diesem Foto das Innere von Wagen 60. Hat jemand dieses Vehicel irgendwo gesehen? Schreiben Sie eine Mail, man wartet sehnsüchtig auf "Erleuchtung".

Und währenddessen können Sie sich schon einmal die neue Internet-Präsenz des Vereins ansehen, dessen Mitglieder in eherenamtlichen ungezählten Stunden für den Erhalt der Obus-Traditionsfahrzeuge sorgen und damit etliche Sonderfahrten veranstalten. Übrigens: auf diese Art und Weise kann man einen Obus mieten und nach eigenem Gusto über Solingens Straßen brausen – pardon, sanft-flüsternd gleiten ....



Fotos: Ian Hill
.

Peter Hoffmann, Vize-Vorsitzender des Solinger Obus-Museums, regt dann auch gleich folgerichtig an, den neu gestalteten Graf-Wilhelm-Platz und den zu erwartenden Neubau-Komplex "Hofgarten" Obus-gerecht aufzubereiten. Wo das Monopol-Kino stand (und nahebei früher das Hotel Monopol), ist jetzt das "Karstadt"-Hochhaus und soll ein neues Einkaufszentrum, ganz modern, gebaut werden. Das Verrückte dabei: all die als neu gepriesenen Pläne gleichen wie eine Blaupause den Zuständen, die schon mal waren. Samt zentimetergenauer Platzierung von Zebrastreifen und dem Rondell am echten, alten Dreieck.

.

Das Monopol war einst Bunker, dann Kino und davor war reichlich Platz. Die Obus-Wendeschleife hat im Prinzip bis im vorigen Jahr bestanden, wenn auch in anderer Form und Funktion. Interessant, dass man seinerzeit, "nach dem Krieg", zwei Straßenbahnwagen zu einem kleinen Pavillion zusammengefasst hat. Improvisation war eben alles.

Für Autoliebhaber lohnt es, sich mit der Lupe vor den Bildschirm zu setzen, um die alten Schlitten zu identifizieren.

Und alle Diskriminierungs-Opfer der Marke "Nikton-Junkie": Unvorstellbar, dass man früher in den Anhängern der Obusse rauchen durfte (die deshalb "Raucherbomben" genannt wurden). Das war doch noch echter Service, oder?!

Zu erkennen sind auf diesem Bild auch noch die Straßenbahnschinenen; hier am Neumarkt endeten einige Linien.

Derzeit nervt die Solinger Presse die Leser mit der überaus unnützen Frage, ob der (hier noch nicht errichtete) Hedderich-Pavillion stehen bleiben sollte – als Denkmal der 50er gewissermaßen. Wie man sieht, könnte man genauso gut und intelligent fragen, ob der neue Hofgarten als Glaspalast nicht ein paar Verkaufsstände der Nachkriegszeit integrieren sollte, wie sie auf diesem Bild zu sehen sind. Wo der Obus ins Bild ragt ist ein improvisierter Pavillion, an dem später das inzwischen abgerissene Verkehrsleitlenkzentralhaus (oder wie es auch immer geheißen haben mag) stand; im Erd- und Untergeschoss Reisebüro Dahmen.


.

Warum nicht wieder einführen, was sich schon einmal und lange Zeit bewährt hat? Erstens den Obus-Anhänger, zweitens den VW-Käfer, drittens die Straßenbahn und viertens die Verkehrsregelung von luftiger Höhe aus. Fünftens Polizisten mit edlen Goldringen, weißen Manschetten und wadenschonenen Gummistiefeln. Denn, sechstens, seit Jahren ist der Graf-Wilhelm-Platz ja das, was er auch auf diesem Bild ist und wird es auch noch lange bleiben: eine Baustelle. "60 Jahre Baustelle GWP" – wäre doch auch mal ein hübsches Motto und ein gelungener Anlass.


.
.

Wahrzeichen, Symbole, Mythen

Gibt es eigentlich so etwas wie ein Solinger Wahrzeichen? Schloss Burg? – Erst in jüngster Zeit zwangsannektiert durch eine Gemeindereform. Müngstener Brücke? Müssen wir uns mit den Remscheidern teilen. Gräfrath, Burg – alles nett, aber nicht unbedingt einzigartig charakteristisch. In der Silhouette das sog. Karstadt-Hochhaus – wird in Kürze abgerissen. Was bleibt, ist ... nichts. Es sei denn, gerade zur rechten Zeit kommt das einzig wahre Symbol zurück, der Klingenschmied. Der als Figur auf einem so genannten Laufbrunnen bis zur Bombennacht 1944 auf dem alten Markt stand.

Alice Mutz hat in ihren Zeitspuren eine ungemein spannende Faktensammlung zusammengetragen:




.

Versprochen ist, dass 2008 ein vom Verschönerungsverein gestiftetes, von Henryk Dywan geschaffenes Klingenschmied-Denkmal wieder auf dem Alten Markt aufgestellt wird.

Der damalige Oberbürgermeister Ulrich Uibel sagte in seiner Festrede zum 625jährigen Stadtjubiläum 1999: "Was trägt uns von den traditionellen Solinger Leitbildern noch in die Zukunft? Solingen, die Klingenstadt? Solingen, die Stadt der Waffenschmiede, Schleifer, Lewerfrauen, der Knösterpitter, Kotten und kleinen Handwerksbetriebe? Was davon entspricht noch der Realität, und was hat Zukunft?" Eben – da die Zukunft kaum diskutiert wird, halten wir uns lieber an die Vergangenheit.

Der kommödiantische Musiker Siegfried Löhdorf ("Klingentrio") ist ein paar Mal in diese Rolle geschlüpft – zur riesigen Freude der Solinger. Nicht nur bei Veranstaltungen der Karnevalsgesellschaft Muckemau, sondern auch unter freiem Himmel – auf dem Vordach des Kaufhofes während der 600-Jahr-Feier – trug er Selbstgereimtes vor und ließ so die einzige wirkliche Solinger Identitäts-Person noch einmal lebendig auferstehen. Der stilechte Amboss und die Künstlerfarbe verleihen dem UrSolinger geradezu etwas Mystisches.

Mein Opa, Gelbgießer von Beruf, hat auch solche Figuren gegossen – irgendwann in den 1930er Jahren. Eine davon hat die Zeiten überlebt:

Siegfried Löhdorf als Klingenschmied macht sein Recht auf Wiederauferstehung am Alten Markt unmissverständlich klar – zu recht, wie ich meine.

Johrelang han ech gelegen
ongerm Dreck vam Aulen Maht.
Glöüwt mir, dat es kein Vergnügen.
Min Versteck es kault on naht.
Kennt ihr Lütt noch minnen Namen ?
Wet ihr denn noch wer ech ben ?
Wer hie "Ne" seet, söül sech schamen,
dat he mech noch nie jesenn.
Die em Solig sind geboren,
die van mir als Denkmol weten,
die weten, dat vür fofzig Johren
die Lütt op mich nix komen leten.
Dat Volk wat vür mir promenierden,
dat lurden mech met Ehrfurcht an.
Der Vatter sinnen Kengern lierden :
Dat es usse Pitter Hahn !

En der reiter Hank den Hamer,
en der louter Hank dat Schwert,
stonn ech noch en mancher Kamer.
Ouch hütt ben ech noch jet wert.
Äwwer dat glöüwt mir nit jeder,
et wierd schleit van mir vertault.
On die Stadt seet emmer weder :
De wird nit mie opgestault !
De es brunn on full gewesen,
de wor onnötz op der Welt.
En der Chronik könnt ihr't lesen,
dofür gewen wir kein Geld.

Ech kann sujet nit begriepen.
Bei dem Quatsch krieg ech de Woot
Sujet es doch glatt tem Piepen.
Domols wor ech dofür joot.
Do deet keiner donoh frogen
wat te Lewtied ech gedrewen.
All nur op min Handwerk sohren
on nit op min Lotterlewen.
Doch mech söül et ens verlangen,
nöhm nen Stadtrat men statt mech,
hädden de vürm Föür gestangen,
off de angersch wör wie ech ?


Nu han ech kortöm vernomen
dat men met dem "Waffenschmied"
endlich well to Potte komen.
Pitter deit ech, et wird Tiet.
Zeig dech noch ens dinnen Blagen,
dat die weten wer du bes.
Du mots dennen noch ens sagen
wer der Hahne Pitter es !
Denn wenn die modern dich bouen,
wie den "Clemens" - sunnen Penn,
dann mots du dertöschenhauen !
Met dem Hamer schlonn ech drenn !

Lott den aulen Pie wier lewen.
Ech möit ent Solig wier retur.
Möit allen Lüden Zöignis gewen
mit minner steinernen Figur
vam Handwerk dat die Stadt leet werden,
van dem wat fröher wurd gedonn.
Bei allem wat mir lew op Erden :
Ech well em Solig weder stonn !

Der Verfasser dieser herrlichen Verse, Siegfried Löhdorf, bei einem Vortrag während einer Muckemau-Sitzung.
Diese wird geleitet von einem Urgestein des Solinger Karnevals. Einem, der – glaube ich – genau so bekannt war wie der Klingenschmied: Günter Hölzer.


.

Noch mehr Infos über (Solinger) Schmiede