Totterblotschen (39)

Gesetz ist Gesetz. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Könne aber auch heißen: Gleich hast Du Dich gesetzt. Ober Die sind doch alle gleich, die Beamten. Oder wie auch immer. Jedenfalls drängt sich mir persönlich der Eindruck auf, dass es zwar nicht Pflicht ist, keinerlei Gespür für und natürliches Taktgefühl zu haben, um bei der Verwaltung zu arbeiten, aber es erleichtert wahrscheinlich die Sache sehr. Klar, Beamten tun auch nur ihre Pflicht, heisst es immer wieder entschuldigend (klingt immer so wie "Herr Richter, dass ich so ein mieser Kerl bin, liegt an meiner schweren Jugend"), aber manchmal eben auch mehr als nur das. Da tun sie daherreden, dass man sich fragt: sind die von der Rolle oder bin ich es? Bin ich es doch lieber – und denke mir meinen Teil.

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Willkommen bei den Korintenkackern

Aufregung in Solingen. Wie die meisten (aber nicht alle) Bürger meinen, zu recht. Wieder einmal hat sich das Bild vom Korintenkacker bestätigt, das man dem ganzen Beamtentum und Obrigkeits-Gehabe nachsagt. Und was im übrigens eine total ehrwürdige, fundamentale Solinger Vokabel ist. Schweizer sagen dazu "Tüpflischiesser". Hochdeutsch heisst es "penibel" – oder peinlich, mmmh, muss ich drüber nachdenken ...


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Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Eine Frau löst einen Parkschein. Exakt eine Minute nach Ablauf des Parkscheins kommt sie zurück – und findet ein Verwarngeld vor. Wegen einer Minute Parkzeitüberschreitung. Jong, do wor jett loss !

So rigide ging es früher zu:

5Juni 1571
Wegegeldprivileg
Herzog Wilhelm bewilligt der Stadt Solingen zur Instandhaltung der schlechten Wege auf durchfahrende Karren ein Wegegeld und auf Stahllieferungen einen Aufschlag zu bewilligen. Bis auf weiteres Erlaubnis folgender Wegegeld- und Akzise-Erhebung: je Karre Steinkohle, die in der Stadt feilgeboten wird, 6 Heller; Holzkohle 8 Heller; je durchfahrende Karre Kalk 4 Heller; je Wagen Eisen, das in der Stadt verkauft wird, 6 Heller; von 1 Meisen Stahl, 12 Heller

Warum kann man diesen Wegezoll nicht wieder einführen? Solingens Straßen als Mautstraßen – und wir wären alle Geldsorgen los.

Ich finde es ja köstlich: eine Stadt, die argumentiert, jeder Bürger müsse sich penibel an die Gesetze halten. Ein Beamter, der nichts anderes zu tun hat, als den Oberlehrer zu geben. Und als Entschuldigung vorbringt : die anderen (Städte) sind auch so.

Ja warum denn nicht stehlen, morden, huren – weil: die anderen tun es doch auch so ! Warum nicht Schmiergeld, Abzocke und Abrechnungsbetrug? Die anderen tuns doch auch, vor allem große Vorbilder in großen Konzernen und die Herren Ärzte und weiss der Geier wer noch. Warum denn nicht die Stadt verklagen, wenn sie wieder mal drei Minuten später mit der Mülleimer-Leerung ist, weil: dann muss sie eben halt großzügiger planen ! Billige Entschuldigungen zählen nicht.

Und vor allem das Argument, Kulanzzeiten seien unmöglich: Wer eine Minute Aufschub verlangt, verlange demnächst zehn (kleiner Finger gereicht, ganze Hand genommen). Klar, die Damen und Herren Politiker, Beamte und Verwaltungs-Knechte: wir Bürger, wir haben ja noch nie, noch nie gar nicht von Euch etwas versprochen bekommen, was ihr nicht auf Punkt und Komma eingehalten habt. Klar, Ihr habt nie den minimalsten Fehler gemacht. Nein, nie!

Schwachsinn kann nicht schwachsinniger sein als in dieser Provinzposse. Man mag ja darüber streiten, ob drei Minuten oder fünf Minuten oder eine viertel Stunde Kulanz angebracht sind. Aber was in Lokalzeitungs- und Online-Leserbriefen als Erfahrung gerade aus dem Stadtteil Wald berichtet wurde, wie dort – so die allgemeine Begrifflichkeit – abgezockt wird, das spottet jeder Lust, sich mit der Verwaltung auf eine Stufe zu stellen und ihr Souveränität zu unterstellen.

Warum gibt man denn nicht einfach öffentlich, dass man das Geld braucht, und zwar jeden Cent. Dringend. Warum erlegt man den Bügern nicht einen Strafzoll auf, der einfach das abdeckt, was der Hof = die Verwaltung ausgibt, egal, warum und wofür? Warum macht man am Jahresende keine Umlage, und wir Bürger zahlen alles? Absurd? Überhaupt nicht. Es war über Jahrhunderte im Bergischen Land, wie auch woanders, der Normalfall. So hielten sich die Landesherren an den Bürgern schadlos. Warum ist man von dieser praktischen Regelung abgewichen? Sie hat sich weit über ein halbes Jahrtausend bewährt. Man schlage in den Geschichtsbüchern nach. Dort steht, wie man es besser macht und rigide Geld eintreibt. Warum dieser Aufwand und Umweg mittels fragwürdiger Knöllchen?


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Narrenpossen? In Solingen wahrlich keine Mangelware:

Nein, niemals hatte man uns versprochen, die Innenstadt solle attraktiver werden oder wäre schon attraktiv geworden. Neeeiiiinnn, niemals. Deshalb muss ja auch keiner das Versprechen einlösen, auf die Minute pünktlich. Und so schläft die City weiter den Schlaf der Grabesruhe, wie man ihn ansonsten auch ganz gut in Tombstone, Arizona, dem historischen Ort des legendären Shootouts am OK Coral, der Wirkungsstätte des Wyatt Earp. Sherif Maik Brückmann, stell' schon mal den Galgen auf ... und spiel mir das Lied vom Tod, pünktlich um High Noon. Und keine Minute später. Sonst gibts einen Knollen.
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Mondachs Meddach in dr Zitty, Pap on Mam die jonn me'm Titti ... können die Black Fööss nun singen. Bloß dass eben hier nicht so viel los ist auf der Linkgasse wie op dr Huhstroot in Kölle am Rhing. Dennoch, die Solinger sind froh, dass es im Gegensatz zu früher nun reichlich Gelegenheiten in der Stadt gibt, sich aufs Trottoir zu setzen, sofern das Wetter mitspielt. Aber die Häuser können trotzdem die Öde kaum optisch niederwälzen, ganz im Gegenteil. Auch am neuen Busbahnhof wirkt es so, als sei vergessen worden, ihn wirklich schön zu machen. Gemütlichkeit sieht anders aus.



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Sinnierend sitzt Heimatdichter Peter Witte auf dem Alten Markt und hofft auf Einfälle, wie er Stimmung in die Stadt bringen kann. Denn dass nur selten was los ist, pfeifen hier nicht die Spatzen von den Dächern, sondern von den Brunnenrohren, wenn Sie mal genau hinschauen.


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Armut, dein Name ist Stadt. Klar, wenn wir auch immer Geld in Parkuhren schmeißen, pünktlich zum Wagen zurück kommen und uns gegen Knöllchen wehren – woher soll die Stadt das Geld nehmen, den Weg so instand zu setzen, dass man diesen Armenhaus-Look endlich mal los wird.


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Auf diese Idee muss erst mal einer kommen! Aushänge, auf denen steht, man möge die aktuelle elektronische Anzeige beachten, da läse man alles genau, gibt es ja schon auf der Welt. Dass aber eine elektronische Anzeige angeschafft wurde, damit sie seit Monaten auf die gedruckten Fahrpläne hinweist, ja eben, darauf muss mal erst einer kommen. Das schaffen nur Berufsbeamtentum und Fachleute der Knöllchen-Geldeinnahme-Verwaltungs-Behörde. Warum sollte, was in allen Städten der Welt funktioniert, in Solingen funktionieren. Und zwar, immer schon
a) Rolltreppen (die standen immer still)
b) Toiletten (die waren immer geschlossen)
c) elektronische Fahrplan-Anzeigen (die sind, kaum montiert, in Dauer-Außerbetrieb).
Monate über die Zeit – aber wehe, du parkst eine Minute zu lang ....


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Dafür, man muss ja auch mal etwas Positives sagen, sehen die Busse und Obusse neu und modern und nett gestrichen aus. Wenigstens das. Und was das allertollste ist: fast immer sind sie wirklich minutengenau im Fahrplan. Die Stadtwerke wollen eben keine Knöllchen zahlen, die Feiglinge, die.


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Strafe muss sein, das wissen wir ja jetzt dank der minutengenauen Verwaltung. Und wenn Maik Brückmann den Galgen am Grafen aufgestellt hat, dann können die Strafen auch gleich exekutiert werden. Etwa, wenn einer des Herrn Lapawas Silag-Ladenschaufenster im zur Renovierung anstehenden ehemaligen Tückmantel-Haus am Dreieck beklebt, sofern an selbigen ein Plakat klebt.

Und nun habe ich an alle angehenden oder Hobby-Juristen die Frage: Ist ein Schild, das das Bekleben von Plakaten verbietet, ein Plakat im Sinne der Strafrechtsandrohung der Nichtbeklebungsgestattung von Plakaten? Also, darf man Belebeverbots-Plakate strafverfolgungsfrei bekleben oder nicht? Ich kann nicht schlafen, ehe ich diese Frage beantwortet bekommen habe!


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Ach, heißt das jetzt, am Dreieck wäre der letzte Vorhang gefallen?


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Sprach ich eben davon, die Stadt sei arm und brauche jeden Cent, notfalls auch per Strafandrohung von beklebten oder langparkigen Bürgern? Das ist natürlich totale Blödsinn, sorry. Denn in dieser Stadt werden ja Golddukaten geschissen ohne Ende. Am Dreieck.

Hier an dieser Figur lernt man das Prinzip der öffentlichen Finanzierungen durch öffentliche Verwaltungen (symbolisiert durch den Esen, huch !!!!) kennen: Sie scheisst Geld ohne Ende; d.h. er, der Esel namens Verwaltung und Kommunalpolitik ...

... aber leider eben nur, weil er den Bürgern das Geld aus der hohlen Hand frisst und alles verschlingt, was diese nach Hause tragen wollen. Und verstehen Sie nun auch, warum viele der Verwaltung so gerne durch den Arsch kriechen? Sie wollen schneller als andere ans Geld. So einfach ist das.


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Nichtsdestotrotz, für mich ist diese von Lies Ketterer geschaffene Figur die vielleicht schönste in der Stadt. Und wenn ich vorschlagen darf, dann würde ich diesen kleinen Fratz mit seinem fröhlich-zufriedenen Gesicht zum Maskottchen von Solingen machen. Denn es ist ja kein anderer als – Hans im Glück !!! Nenn wir ihn einfach HÄNSKEN EM JLÖCK.


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Tja, weil eben so viel los ist in der Stadt, weil hier Geld ohne Ende vorhanden ist, weil Einzelhandelskonzepte so zahlreich ankommen, aufgehen und erfolgreich sind, weil die Bevölkerung und ihre Bedürfnisse sich eben nicht geändert haben, machen in der Stadt ein Geschäft nach dem anderen neu auf. Nachdem die etablierten dicht gemacht haben. Gibt es wirklich keine Wendemöglichkeit für diesen Trend, wie uns das Schild klar macht? Und lesen Sie mir ja nicht den Straßennamen falsch. Es heisst Eiland und nicht Elend.


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Für alle auswärtigen, ausländischen und außergalaktischen Investoren: kommet zu Hauf in diese Stadt, es ist genügend Leerstand für Euch alle da!


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Und nicht nur leere Räume und Ladenlokale. Auch leere Straßen. Wo sonst kann man an einem Werktag mittags seine Kinder mitten in der Innenstadt unbesorgt auf die Straße zum Spielen schicken? Kleine Grünanlagen zum Krabbeln sind sogar schon vorbereitet.