Totterblotschen (7)

Kritiker behaupten immer, in dieser Stadt ändere sich nie etwas. Das ist eine fiese, gemeine, unwahre Behauptung. Natürlich ändert sich etwas. Die Jahreszahl. Der Rest bleibt gleich, das stimmt schon. Halt, und das Wetter! Das gleichbleibende am Wetter ist, dass es wechselhaft ist. Mmmh. Das ist jetzt so eine vilosofische (oder wie schreibt man neuerdings recht?) Frage. Denn wer das Wetter versteht, versteht auch Solingen. Regen (Schlechtwetter = Meckern) ist der eigentlich Dünger (=Fortschritt, Zuwendung). Will sagen ohne Meckern keine Zustimmung. Nur wer kritisiert, hat Interesse. In diesem Sinne ein schönes Neues Jahr 2007.

.

.

436.000 Besucher von Solingen-Internet konnten 2006 mit den üblichen per Server-Tools gezählt werden. Das sind, statische gesehen über 36.000 pro Monat. Für das Interesse sage ich herzlichen Dank. Logisch, dass es ein Ansporn ist, weiter zu machen, obwohl ich so manches Mal gedacht habe, nun müsse aber genug sein. Doch Solingen ist so interessant, das wird hier nie langweilig, über irgendetwas "et Mull to schwarten". Kuriositäten und Kleinkariertes ("Bergisch Pepita") vermengen sich derart intensiv, dass einem der Spott ja geradezu aufgedrängt wird ...

Am Interessantesten ist wahrscheinlich die Hitliste der Herkunft der Surfer: aus aller Herren Länder und bis hin zu den fernen Südsee-Atollen an den Antipoden Solingens. Hier die Rangfolge 2006.

Deutschland, Österreich, Niederlande, Frankreich, Belgien, USA, Italien, Polen, Brasilien, England, Luxemburg, Dänemark, Ungarn, Kanada, Tschechien, Schweden, Peru, Norwegen, Australien, Mexico, Japan, Finnland, Argentinien, Türkei, Russland, Spanien, Portugal, Slowakei, Estland, Rumänien, Israel, Chile, Griechenland, Neuseeland, Morokko, Kroatien, Tuvalu (Südsee-Atoll), Litauen, Kolumbien, Island, Bulgarien, Thailand, Taiwan, Guatemala, Südafrika, Singapur, Irland, Liechtenstein, Jugoslavien, Ukraine, Bosnien und Herzegovina, Lettland, Uruguay, Dominikanische Republik, Niue (Koralleninsel nahe Tonga), Slovenien, Indonesien, Vietnam, Indien, Malaysia, Zypern, Guinea-Bissau (Afrika), Französisch Polynesien, Albanien, Bolivien, Weißrussland, Ecuador, Malta, Namibia, Philippinen, Venezuela, Antigua und Barbuda, Armenien, China, Egypten, Georgien, Hong Kong, Kyrgisische Republik, Kasachstan, Sri Lanka, Monaco, Moldavien, Neu Kaledonien, Pakistan, Aruba, Elfenbeinküste, Costa Rica, Farör Inseln, Grönland, Jordanien
.

. . .

Also – ändert sich nun etwas oder nicht?

Urteilen Sie doch selbst. Frank Püttbach ist ein geniales
Kunststück gelungen. Er fotografierte vom Turmhotel Solingen.
1982 und heute, also 24 Jahre später.
Zwei Motive zum genauen Studium in maximaler Größe.
Finden Sie selbst heraus, was sich verändert hat. Und welches das alte und das neue Bild ist.
.

.

1948 lag die Welt und mit ihr Solingen buchstäblich in manchen Teilen in Trümmern. Vor allem war im unter den Siegermächten aufgeteilten Deutschland noch nicht die Staatsordnung geschaffen, wir wir sie seit 1949 kennen. Und so war auch die Herausgabe von Zeitungen ein Privileg, das von den Militärbehörden gewährt werden konnte.

Wilhelm Müller jr, Druckerei in Ohligs, gab damals eine lokale wöchentliche Sportzeitung heraus – DIN A 4 groß, einmal gefalzt. Mehr Papier konnte damals kaum einer "verschwenden", es war streng rationiert. Das Mitteilungsblatt des Ortsverbandes Solinger Sportvereine (heute Stadtsportbund). Der Herausgeber war Herbert A. Hönemann, der in den 60er Jahren (und davor) eine Heilpraktiker-Zeitschrift herausgab und auch diese bei Wilh. Müller jr. drucken ließ. Als Schriftsetzerlehrling habe ich an dieser Zeitschrift den Umbruch (das Anordnen der Texte, Anzeigen, Bilder usw.) gelernt – heute nennt man es in der Fachsprache der Graphic-Designer das Layout.

Jedenfalls fand man in diesem Blatt von 1948 geradezu patriotische Beiträge über den Solinger Sport. Mit überraschenden und amüsanten Details, die des genauen Nachlesens wert sind.

Diese und die nachfolgenden Drucksache, Brief und Fotos stellte Klaus-Michael Lohe zur Verfügung. Danke dafür.

Formkrise eine Ohligser Fußballclubs – ach nee, als hätten wir es nicht späterhin des öfteren, um nicht zu sagen immer erlebt ... bis heute !

Aber im Handball brachen Goldene Zeiten an, die 1964/65 Deutscher Feldhandballmeister wurden (BSV 98, die "Oheios").

In der rechten Spalte ein glühendes Plädoyer für Radqualität "made in Solingen". 1954 wurde in Solingen ja die Weltmeisterschaft im Straßenradfahren ausgetragen ("Regenschlacht").

Die Firma WKC hinterließ ein Gebäude, das bis heute als Rathaus dient (und in dessen unmittelbarer Nachbarschaft ein neues, modernes Rathaus gebaut werden wird). Nun soll sich aber keiner was dabei denken, wenn wir ein Rathaus haben, das früher ein Radhaus war. Fort also mit dem bösen Spruch, hier wären (immer noch) Radfahrer zu Hause –, Kennzeichen: nach oben buckeln und nach unten treten.

Eine fast beiläufige Bemerkung zeigt die damalige Armut der Bevölkerung: rechte Spalte, zweiter Absatz: Spiel ... "fiel aus, da Aufderhöhe wegen Mangels an Schuhwerk den Fußballbetrieb vorläufig eingestellt hat."

.

Und für alle angehenden Handball-Stars empfehle ich das Studium der nachfolgenden Ratschläge ...

Es ist unglaublich (aus heutiger Sicht), für wie naiv man wohl die angehenden Spieler hielt – oder sie es waren? Nein, kann man sich kaum vorstellen. Und insofern sind die Ratschläge nach sittlichem Lebenswandel und Meidung von Alkohol bei aktivem Sport vielleicht sogar heute noch gültig ... ;-) *grins*
.

(vermutlich aus Anfang der 1950er Jahre)


.

Spieleinladungen vor der Zeit von Handy und Email: per guter alter Post-Drucksache. Als Drucksache galten nicht nur gedruckte Informationen, sondern auch Vordrucke, in denen dann einzelne Felder ergänzt werden konnten. Allerdings hat der Absender rein postwertzeichen-rechtlich eindeutig gegen diese Regelung verstoßen und an und für sich postalisch nicht erlaubte Zusätze angefügt.

Spielervermittlung auch vor Zeiten des Rainer Calmund ...

1952


.

Als es noch kein Red Bull und andere flügelmachende Dope gab, trank man zur Erfrischung mal eben einen Schluck aus der Bierpulle – natürlich hoffen wir auch noch nachträglich, dass es nur ein gestelltes Bild ist. Das Bier jedenfalls ist echt.


.

Man weiß bei solchen "alten" Bildern (diese sind tatsächlich erst von 1960 !!!) nie, ob es sich um die Veteranen-oder die 1. Mannschaft handelt. Aber wenn man sich die Gesichter mal näher anschaut, dann erkennt man auf den Bildern doch noch recht junge Kerle. Nur die Sponsoren Adidas oder Puma waren noch nicht erfunden und so ging man brav in der Turnhose zum Spiel und zog sich zwecks Kenntlichmachung ein Leibchen über – heute gerade noch mal im Trianing akzeptiert. Von besonderem Reiz auch die Socken und grandios der Schiedsrichter mit wärmendem Wams, einer Strickweste. Und die Fans erst: mit kurzen Hosen, nacktem Knie, langen Strrickstrümpfen, aber Mantel auf das Spielfeld (links neben dem Schiedsrichter). Aus heutiger Sicht betracht: unglaublich, wie lange 45 Jahre zurückliegen können.


.

Eine klassische Situation, filmisch bekannt geworden durch den Titel "Die Angst des Torwarts vor dem Elfmeter".

Ich erinnere mich noch genau, wie ich auch – etwa um 1965 – als Torwart solche Knieschoner trug. Denn sich ohne diese Dinger in diesen groben Split zu werfen, wie er auf dem Bild gut zu erkennen ist, das war reiner Selbstmord. Ohne Verletzungen kam der Torwart bei keinem Spiel davon, es sei denn, er hätte sich nicht ehrenhaft nach den Bällen geschmissen.


.

Eine jener typischen Aufnahmen, bei dem man – vor allem, wenn wie hier der Originalabzug nur 5 mal 8 cm groß ist – sich fragt, was will uns der Fotograf damit sagen. Bei näherer Betrachtung könnte man die Aufnahme sogar als philosophisch ansehen: zeigt sie doch eindringlich symbolisch die Leere, die in einem Spieler nach einem verlorenen Spiel aufkommen muss. Praktischerweise aber zeigt sie uns auch noch etwas ganz anderes: noch in den 1960er Jahren hatte Solingen an vielen Stellen viel Platz und gespielt wurde auf ackerähnlichem Gelände, die Spieler hatten kein Interesse daran, "in den Mann zu grätschen" und sich dabei die Knie aufzuschürfen.


.

Das wichtigste am Sportverein war, ist und bleibt die Gemeinschaft am Gasthaustisch. Na dann Prost, meine Herren Helden; warum zwei davon im Mantel sitzen, einer sogar im Ledermantel, bleibt vorläufig ungeklärt. Und wer noch das Portrait des legendären Sepp Herberger im Kopf hat, könnte meine, er luge spitzbübisch hinter jenem Lederrücken hervor ....


.

Ehrensache auch heute noch unter Sportlern. Wird ein Kamerad – oder eine Kameradin – in den "Hafen der Ehe" geführt, so steht man Spalier, in voller Montur natürlich. Ist es nicht wunderschön anzusehen, wie gut sich junge Menschen damals noch benehmen konnten und mit welcher Grazie die bescheidenen Blumen-Bouquets getragen wurden?! Ach, vor lauter Nostalgie könnte man ans Schwärmen von damals kommen ...